Patrick Nederkoorn: Untergang in Orange

Die nächste Völkerwanderung ist nur noch eine Frage der Zeit, und ausgerechnet ein Holländer versucht, die Menschen darauf vorzubereiten. Vor allem die Deutschen. Immerhin werden wir unweigerlich das Ziel von 17 Millionen Niederländern mit ihren Caravans und Hightech-Zelten sein, wenn der Meeresspiegel steigt, die Deiche brechen und ein ganzes Land zum Opfer der Fluten wird. Und dann? Kommen Klimaflüchtlinge mit einer Sprache, die wie eine Rachenkrankheit klingt, und mit jeder Menge Klischees, die ihnen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger in Jahrhunderten nachbarschaftlicher Rivalität zugeschrieben haben. Beides will Patrick Nederkoorn korrigieren. Der aufstrebende Kabarettist hat jetzt im Haus der Springmaus in Bonn die Premiere seines Debütprogramms „Die orangene Gefahr“ gefeiert – und einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Normalerweise ist die Aufklärung von den Eigenheiten anderer Kulturen längst zu banal und in erster Linie ein dankbares Thema für angehende Comedians, denen sonst nichts einfällt. Doch für Nederkoorn ist dieser Ansatz nur Mittel zum Zweck, um eindringlich vor den Folgen des Klimawandels zu warnen. Immerhin liegen rund ein Viertel der Niederlande unter dem Meeresspiegel, mehr als die Hälfte weniger als einen Meter darüber. Das ist nicht genug. „Wissenschaftler haben errechnet, dass der Meeresspiegel schon im Jahr 2100 um 1,20 Meter ansteigen könnte“, betont Neederkorn, und ob die Deiche das kompensieren könnten... Das bereitet dem 38-Jährigen durchaus Sorgen, auch wenn er sich ansonsten als typischer Holländer bezeichnet, stets positiv denkend und Veränderungen für unnötig haltend. Was hinsichtlich des Klimawandels ein Problem darstellt und den Niederländern in Zukunft einen kollektiven Darwin-Award sichern könnte, zugleich aber auch der Grund für sein Programm ist. Denn anstatt sein Leben neu aufzustellen, damit sein frisch geborener Sohn oder spätestens seine Enkel eine Zukunft im Oranje-Staat haben, sucht Nederkoorn kurzerhand nach einer neuen Heimat. In Bonn vielleicht. Angesichts der deutschen Bürokratie kann die Suche nach einem ökologischen Asyl schließlich nicht früh genug beginnen.

Das Publikum will Patrick Nederkoorn auf jeden Fall gerne bei sich aufnehmen: Der Mann ist witzig, sympathisch, schlagfertig und musikalisch, mitunter sehr poetisch (insbesondere bei einem sehr gefühlvollen Lied für seinen Sohn) und ein exzellenter Lehrer für Holländisch. Irgendwer muss die Sprache ja schließlich sprechen, wenn sich Nederkoorns Landsleute durch Untätigkeit aus dem Genpool löschen. Selbst Indonesien ist mit Blick auf den steigenden Meeresspiegel aktiver – und baut kurzerhand auf Borneo eine neue Hauptstadt, weil Jakarta derzeit regelmäßig überflutet wird. Könnte fast eine holländische Idee sein. Derartige Informationen greift Nederkoorn regelmäßig auf, unterfüttert sein Programm mit Fakten und vermittelt das ernste Thema doch stets unterhaltsam. Zusammen mit Guido van de Meent am Klavier, der als Sidekick immer wieder Opfer von Nederkoorns Pointen wird, erweist er sich zudem als versierter Sänger, der Rudi Carrells Klassiker „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ elegant auf eine andere Jahreszeit umschreibt und Udo Jürgens' Klimalied „Tanz auf dem Vulkan“ souverän präsentiert. Respekt. An diesem Einstand auf deutschen Kabarettbühnen können sich noch so manche alte Hasen ein Beispiel nehmen.

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