Was ist nur mit Justus los? Ausgerechnet er, der Ingenieur mit dem Glauben an den Fortschritt und an die Effizienz, hat sich in der Corona-Pandemie gewandelt und hat sich den Querdenkern angeschlossen. Das kann Christian Ehring einfach nicht verstehen. Was hat seinen besten Freund nur so umgepolt? Ihn und so viele andere, die der Wissenschaft einfach nicht mehr zuhören und die Logik nicht länger akzeptieren? „Es gibt Menschen, die liegen mit Corona auf der Intensivstation und betonen immer noch, dass es gut war, sich nicht impfen zu lassen“, sagt Ehring. Versteht er nicht, behauptet er zumindest. Dabei ist der Kabarettist und Extra-3-Moderator wahrscheinlich näher an der Wahrheit als viele andere. In seinem aktuellen Programm „Antikörper“ schaut er mit kritischem, aber auch offenem Blick auf die vergangenen zwei Corona-Jahre zurück – und erweist sich als exzellenter Analytiker der vermeintlichen Schwarz-Weiß-Situation mit einem feinen Gespür für die Grauzonen.
Tatsächlich zeichnet es Ehring aus, dass er nicht einfach nur auf die üblichen Verdächtigen draufhaut, sondern der ein oder anderen Aussage durchaus Verständnis entgegenbringt. „Wir sind alle am Anschlag“, sagt er. Da machen Menschen nun einmal Fehler. So wie Justus, der mit seiner pubertierenden Teenager-Tochter alleine klar kommen muss, weil seine Frau sie kurzerhand an ihren Vater abgeschoben hat. Da kann man schnell mal an einer Regierung verzweifeln, die die gesamte Bildungspolitik trotz eines milliardenschweren Digitalpaktes mit Vollgas gegen die Wand fährt. Andererseits muss man deswegen doch nicht an der Seite von immer mehr Rechten spazieren gehen und anfangen, Solidarität klein zu schreiben. „Ich bin nicht zynisch, ich will nicht provozieren“, sagt Ehring. „Ich zünde vielmehr eine Kerze an und bete, dass die Aufklärung zurückkommt.“
Doch nicht nur das Corona-Virus treibt Ehring um. Mal ist es das erstaunlich löchrige Gedächtnis von Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem CumEx-Skandal, dann wieder der Aufstieg von Friedrich Merz
oder das Jugendwort des Jahres. Die tagesaktuelle Berichterstattung greift er ebenfalls auf – und mitunter positioniert er sich anders, als das Publikum erwartet hat. So stellt er sich schützend
vor die Deutsche Bahn, deren Mitarbeiter in der Regel einen tollen Job machen würden und ihn noch besser machen könnten, wenn nur die ganzen nervigen Fahrgäste nicht wären: Die Lauttelefonierer
und Schuhauszieher, die an der Wagenreihung Verzweifelnden und diejenigen, die immer den Sitz neben sich für ihr Gepäck reservieren. Ebenso verteidigt er die Jugendlichen, die ihre Zukunft zwar
vielleicht als Influencer sehen – „das ist eine neue Entwicklung, früher wollte von uns doch niemand so werden wie der Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer“ –, dafür aber in den vergangenen
zwei Jahren auch sehr viel aushalten mussten. „Danke“, sagt Ehring. Ganz ohne Zynismus und Satire.
Und was ist jetzt mit der Freundschaft zu Justus? Die ist weiterhin gefährdet. Nicht wegen Corona, sondern weil Ehring diesen mal als Nazi beschimpft hat. Böse Sache. So was sagt man nicht, ob es
nun wahr ist oder nicht, das sollte gerade Ehring nach einer entsprechenden Klage von Alice Weidel wissen. Und so steht der Kabarettist mit der frechen Klappe und dem scharfen Verstand auf
einmal wie ein Trottel dar, der überlegt, ob er sich entschuldigen muss, um die Freundschaft zu retten. Das wird vermutlich nicht nur ihm so gehen. Denn auch wenn die Pandemie hoffentlich bald
vorbei ist, werden die Folgen, sowohl gesundheitlicher als auch gesellschaftlicher Art, noch lange bleiben.
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Mueller (Donnerstag, 24 März 2022 20:36)
Ehrung könnte es ja Mal mit der Wahrheit versuchen, anstelle von Unterstellungen, vielleicht geh t es beim dem Sender auch nicht. Meckern kann jeder, was hat Ehrung in seinem Leben bisher geleistet??????
Becker (Samstag, 29 Juli 2023 00:43)
Schon eigenartig,wer sich auf im Grundgesetz garantierte Rechte (Paragraph 1+2) beruft,wird als Rechter diffamiert!!!
Er sollte sich öffentlich entschuldigen!!!