Wortspiele sind für Thomas Reis das Größte. Mehrdeutigkeiten und klangliche Ähnlichkeiten, Homophonien und Paragramme sind die Bausteine seiner politischen Kabarettprogramme. Dahinter muss alles andere zurücktreten, selbst die Pointen. Die muss sein Publikum schon selber suchen, was im Haus der Springmaus mal mehr, mal weniger gut gelingt. Immerhin feuert Reis in seinem Programm „Mit Abstand das Beste“ seine sprachlichen Kleinkunstwerke in etwa so schnell ab wie ein Sturmgewehr G36 – und mit ebenso großer Streuung. Kurzum, nicht jeder Schuss ist ein Treffer. Und nicht jeder Treffer erwischt das richtige Ziel.
Dabei steht außer Frage, dass Reis sich im Tagesgeschehen hervorragend auskennt. Nur macht er zu selten etwas daraus. Genüsslich attackiert er die neue und die alte Bundesregierung, nimmt jeden
Minister ins Visier und sucht nach Schwachstellen, taucht mitunter auch mal etwas tiefer in ein Thema ein und bleibt doch zu sehr an der Oberfläche, um mehr als ein paar Schlagworte zu liefern.
Da wären etwa Olaf Scholz mit seiner sedierenden Ruhe, Steffi Lemke aus der Plattenbausiedlung („die kennt sich mit Käfighaltung aus“) oder Svenja Schulze, die jetzt Entwicklungshilfe mache,
obwohl sie die selber dringend bräuchte. Gemächlich fällt Reis ein Urteil nach dem anderen, manchmal abschweifend, dann wieder in sich selbst versinkend oder eine seiner rhetorischen Figuren
überhöhend. Das Publikum verzweifelt derweil an so mancher Stelle, weil es mal wieder um mindestens eine Ecke denken muss, um den murmelnden Ausführungen des 58-Jährigen zu folgen.
Doch es ist nicht nur die Politik, die Reis umtreibt: Er versucht auch, die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu erklären, die Religionen zu verlachen und die Faszination des Thermomix zu
verstehen. Dabei schießt er mitunter über das Ziel hinaus: Wer Förderschulen und Euthanasie in einen Satz packt oder sagt, dass das Papstamt kein Mutti-Job wäre, weil den schon ein Pädophiler
machen müsse, der befindet sich schon jenseits der Satire. Derartige Aussagen sind enttäuschend, zumal Reis es nicht nur besser wissen müsste, sondern es auch besser könnte. Zumindest, wenn er
sich nicht zum Sklaven seiner eigenen Wortspiele machen würde. Nicht jede Pointe verlangt nach einem manipulierten Wort oder einer neuen Verknüpfung. Ganz im Gegenteil: ein „kategorischer
Impferativ“ ist einfach nur peinlich, ebenso wie die bemühte Erklärung, dass ein Skin ja Skin hieße, „weil er haut“ („Skin“ ist das englische Wort für „die Haut“). Dagegen ist ja selbst das
Liedchen „die Pfaffen jagen durch den Wald“ amüsanter – und die Diskussion zwischen Jesus und einem rigorosen Berliner Bademeister geradezu brillant. Am besten ist Thomas Reis allerdings immer
dann, wenn er seinen Witz eher en passant fallen lässt, so dass das Publikum ihn erst mit Verspätung bemerkt, wenn er also seine Pointen beiläufig setzt und nicht bemüht. Dann wird aus den
Wortspielchen auch mal große Kunst. Und die könnte gerade Thomas Reis mit seinem bemerkenswerten Sprachgefühl ruhig häufiger kreieren.
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