Schlachtplatte: „Eine Erdbeere ist keine Beere“

Eigentlich war 2021 alles andere als zum Lachen. Die Flutkatastrophe an der Ahr, die Corona-Pandemie und der völlig missglückte Afghanistan-Rückzug haben den Menschen vieles verleidet. Dennoch will die alljährliche Schlachtplatte, der kabarettistische Jahresrückblick mit der Lizenz zum Kalauer, die größten Themen Revue passieren lassen (bis auf das Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, denn darüber macht man keine Witze). Ein ambitioniertes Vorhaben. Doch eines, das durchaus gelingt: In ihren besten Momenten servieren Robert Griess und seine Kollegen Henning Schmidtke, Dagmar Schönleber und Sebastian Rüger im gut gefüllten Haus der Springmaus ihre Gerichte so heiß, dass sie schmerzen, und dann wieder so leicht, dass es Freude macht.

Tatsächlich gehört die „Schlachtplatte 2022“ zu den besten Ausgaben der vergangenen Jahre. Grund dafür ist sicherlich die recht offen gestaltete Rahmenhandlung, die nicht wie sonst üblich mit übermäßiger Schauspielerei und konstruierten Dialogen aufwartet, sondern im eher nüchternen Gewand des Journalismus Spitzen zu setzen vermag. Und wie: Vor allem die Live-Schalte nach Kabul, wo Robert Griess als rasender Reporter höchstens die Hotelflure und die Mini-Bars unsicher macht und höchstens mal die Mitarbeiter um ein paar Informationen über die Rückkehr der Taliban bittet, ist brillant, satirisch, unglaublich böse – und zumindest zum Teil näher an der Realität, als man sich das eingestehen möchte. Immerhin orientiert Griess sich nur an den Wünschen seines (imaginären) Publikums, das die ganze Wahrheit gar nicht wissen möchte, um sich nicht den Abend zu verderben. Also schön alles ausblenden. Und wenn dann ein verzweifelter Afghane, der aufgrund seiner Arbeit für die nun fliehenden Nato-Militärs auf der Todesliste steht, Einen Fluchtweg in den Westen sucht, ist die deutsche Bürokratie immer noch besser als jeder Grenzzaun. Da bleibt einem doch glatt das Lachen im Halse stecken, zumal Musikkabarettist Henning Schmidtke mit einem Lied über Kampfdrohnen gleich noch einen weiteren Kloß in den kollektiven Rachen stopft. So geht gutes Kabarett. Hut ab.

Nicht jede Pointe des Abends ist von gleichem Schrot und Korn, doch das ist auch gar nicht nötig. Ein bisschen Abwechslung muss schließlich auch erlaubt sein. Wie bei der Schlachtplatte üblich stehen daher Ensemblestücke neben Solo-Einlagen und der ein oder anderen Musiknummer. Da werden eben die Top 5 der Klimaschutz-Lieder geträllert (inklusive dem Rammstein-Hit „Sonne“) oder Wahlkampffehler analysiert, und selbst wenn sich Dagmar Schönleber als demokratisch gewählte Königin in Teilzeit ins Spiel bringt, hat das einen gewissen Charme, zumal auch hier ein Hauch von politischem Kabarett zu spüren ist. Großartig ist zudem Sebastian Rügers Trump-Verkörperung, da er sogar die abstruse Logik des ehemaligen US-Präsidenten noch zu überzeichnen vermag; und dann wäre noch einmal Schmidtke zu nennen, der sich das Preis-Leistungs-Verhältnis vieler Produkte und Kulturgüter vornimmt und sich nicht nur fragt, ob man wirklich einen Thermomix braucht, sondern auch was Herbert Grönemeyer eigentlich die ganze Zeit auf der Bühne macht, während das Publikum einen Hit nach dem anderen singt. Ja, das hat mit einer Jahresendabrechnung nichts zu tun, sorgt aber für gute Laune. Und die haben sich vor allem Kulturschaffende nach den Entbehrungen der zwei Coronajahre jetzt auch redlich verdient.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0