Big Daddy Wilson: Das Evangelium des Blues

Big Daddy Wilson ist schon eine besondere Erscheinung: Ein Mann von mächtiger Statur, der seinen Anzug mit einer beneidenswerten Selbstverständlichkeit trägt und dabei so strahlt, als wäre er mit sich und der Welt im Reinen. Und dann noch diese Stimme! Sonor, warm, kraftvoll und bis zum Rand gefüllt mit Soul und Blues, mitunter traurig, häufig dankbar, immer hoffnungsvoll. In der Harmonie, die längst zu einer Art zweiter Heimat für den 61-Jährigen geworden ist, präsentiert Big Daddy nun sein aktuelles Album „Hard Time Blues“ – und verzaubert die Menge einmal mehr innerhalb von Sekunden.

Erstaunlicherweise sind klassische Zwölftakter an diesem Abend in der Minderheit. Ja, Wilson beherrscht auch diese, ob sie nun von der im Hochwasser versinkenden Mississippi-Kleinstadt Yazoo City handeln oder als Tribut an Blues-Legende Son House daherkommen, doch eigentlich stehen die Zeichen eher auf Soul und Gospel. Mehrere Stücke beschäftigen sich explizit mit dem Glauben an Gott, andere wie „Poor Black Children“ mit dem Leid der Menschen. Für all diese Seelen singt Wilson voller Überzeugung auf ein besseres Leben, ja, er predigt fast schon und drängt sich doch zu keinem Zeitpunkt auf. Mit persönlichen Referenzen hält er sich derweil weitgehend zurück, abgesehen von „I Can't help but love you“, einer Nummer, die er für seine Frau Helga schrieb. 27 Jahre sind die beiden inzwischen verheiratet – sie und der Blues, den er erst während seiner Zeit als in Deutschland stationierter US-Soldat kennen und lieben lernte, sind bis heute seine größten Inspirationen.

Während Big Daddy Wilson das Evangelium des Blues verliest, hält sich seine exzellente Band weitgehend im Hintergrund. Dabei ist es stets ein Genuss, wenn sie mal mehr machen dürfen. Vor allem Gitarrist Cesare Nolli begeistert immer wieder mit starken Soli, doch auch Keyboarder Enzo Messina und Bassist Paolo Legramandi dürfen mitunter glänzen. Und dann wäre da noch Nik Taccori, ein menschliches Metronom, ungeheuer präzise und kontrolliert, aber gleichzeitig geschmeidig groovend. Eine fantastische Besetzung, die einmal auch alleine spielen dürfen, ohne Big Daddy, und dabei den Coasters-Titel „Down in Mexico“ präsentieren, eine herrlich lässige Nummer, die Quentin Tarantino nicht ohne Grund in seinen Film „Death Proof“ einbaute. So vergingen die gut anderthalb Stunden (inklusive Zugabe) wie im Flug. Bleibt zu hoffen, dass Big Daddy Wilson auch im nächsten Jahr wieder nach Bonn kommt. Ob mit Blues oder Soul, das ist dabei letztlich egal.

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