Martin Zingsheim: Normalität war vorgestern

„Wir haben doch alle einen an der Klatsche!“ Martin Zingsheim kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Ausgerechnet jetzt, mitten in der Pandemie, spielen die Menschen weiter ihr Befindlichkeiten-Tetris, sind überempfindlich, wenn es sie selbst betrifft, und radikal, wenn es um die Rechte anderer geht. „Darüber kann ich wirklich nicht mehr lachen“, singt Zingsheim bei der Bonn-Premiere seines neuen Kabarett-Programms „Normal ist das nicht“ im Pantheon. Zumindest nicht über alles.

Es kann doch nicht sein, dass Frauen wieder die Hauptlast des Lockdowns tragen, sie und die Kinder, die derzeit ihr Seepferdchen nur in reinem Formaldehyd ablegen können oder alternativ mit Maske schwimmen müssen. Am besten beides, um wirklich sicher zu sein. Man weiß ja nie.

A propos Mann: Der hat es noch vergleichsweise gut. „Gesellschaftspolitisch ist ein Penis eine Win-Win-Situation“, sagt Zingsheim, der immer wieder auf den Gender Gap zu sprechen kommt und verspricht, in seinem Programm ausschließlich die weibliche Form zu verwenden. Kabarett mit 4G: Geimpft, genesen, getestet und gegendert. Dumm nur, dass der 37-Jährige selbst an diesem Vorhaben schon nach wenigen Minuten scheitert. Doch das ist längst nicht Zingsheims einziges Problem. Die Spannung zwischen dem Künstler und seinem leider überschaubaren Publikum fehlt zumindest zu Beginn der Show, und viele Pointen fallen – zu Recht – nicht auf sonderlich fruchtbaren Boden. Dabei meint es Zingsheim ja gut, keine Frage. Doch irgendetwas fehlt. Melodie, Dynamik, Timing, all jene Elemente also, die Zingsheim am Klavier mühelos beherrscht. Und so sind es denn auch seine musikalischen Nummern, die am ehesten im Gedächtnis bleiben. Vor allem, wenn sie mit Filmen zu tun haben. Die Hollywood-Fahrt mit den musikalischen Klischees ist zum Beispiel herrlich, ebenso wie die rheinische Ausgabe von James Bond mit Horst Schlemmer als tödlichem Geheimagenten und Königin Beatrix als Moneypenny. Begleitet vom Bonner Drummer Claus Schulte und Geiger Martin Weber wird daraus eine Glanznummer. Und das ist dann letztlich doch normal.

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