„Sunrise“: Die Ruhe des Dorfes, die Ekstase der Stadt

Ein Mann zwischen der Tristesse des Landlebens und der Ekstase der Stadt, zwischen Tradition und Vision, zwischen Gemütlichkeit und Hektik, vor allem aber ein Mann zwischen zwei Frauen: Das ist das Thema des Stummfilmklassikers „Sunrise“ von Friedrich Wilhelm Murnau, der jetzt im Rahmen eines Leinwandkonzerts im Kammermusiksaal des Beethovenhauses präsentiert und live vertont worden ist. Die Aufführung dient als Auftakt einer Kooperation zwischen dem Beethovenhaus und dem Förderverein Filmkultur Bonn, der auch für die hiesigen Stummfilmtage verantwortlich ist.

Das Duo Cellophon (Paul Rittel und Tobias Stutz) untermalte das mit drei Oscars ausgezeichnete Liebesdrama von 1927 mit oft leichten, zarten Melodien, die allerdings schnell umschlagen konnten, düster und bedrohlich wurden und der Atmosphäre dieses späten Meisterwerks der Stummfilm-Ära eine zusätzliche Tiefe gaben. Da pochte der Korpus, knirschten und knarzten die Saiten, jaulten die Bögen, während Hauptdarsteller George O'Brien seine Gattin mit mörderischem Blick anstierte. Ein brillanter Einstand für ein Format, das durchaus noch ein paar Macken hat – aber auch ungeheuer viel Potenzial.

 

So perfekt auch die musikalische Untermalung gelang, so problematisch war die Organisation im Vorfeld. Vor allem hagelte es Beschwerden, wenn Besuchern aufgrund der Corona-Bedingungen Plätze am Rand der halbrunden Sitzterrassen zugewiesen wurden, von denen das Geschehen auf der Leinwand kaum zu sehen war. Angesichts einer offiziell ausverkauften Vorstellung und des geltenden Hygienekonzepts hatten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Beethovenhauses und des Fördervereins Filmkultur allerdings nur begrenzte Möglichkeiten, diesen Missstand zu korrigieren. Beim nächsten Konzert Anfang Februar sieht die Situation vielleicht schon anders aus. Klar ist, dass die Reihe auch darüber hinaus etabliert werden soll. „Wir öffnen uns mit dieser Kooperation intermedialen Formaten“, betonte der Direktor des Beethovenhauses, Malte Boeker. Die Möglichkeiten sind vielfältig: „So könnten wir uns zum Beispiel vorstellen, in Zukunft auch Filmmusikkomponisten einzuladen; dann wieder existiert auf Bildern basierende Musik, zu der es noch keine Filme gibt, wie etwa bei Mussorgskys 'Bilder einer Ausstellung'.“ Das nächste Leinwandkonzert am 6. Februar, das sich explizit auch an Kinder richtet, zeigt denn auch bereits eine andere Konzeption: Dann wird die Violinistin Sabrina Hausmann eine Komposition ihres Vaters Aljoscha Zimmermann vorstellen, die dieser zu den Scherenschnitt-Märchen Lotte Reinigers geschrieben hat. Dabei sollen die verschiedenen Melodien und Leitmotive vorgestellt werden. Begleitet wird Hausmann von dem Pianisten Mark Pogolski.

Termin

„Lotte Reinigers Märchen und Fabeln: Kalif Storch, Aschenputtel und Däumelinchen“. 6.2.2022, 16 Uhr, Kammermusiksaal des Beethovenhauses. Vorverkaufsbeginn ist der 22.12.2021. Karten erhalten Sie an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

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