An Weihnachten darf man durchaus auch mal an ein Wunder glauben. An Vögel, die aus Tüchern auftauchen, an Puppen, die reden können und an Assistentinnen, die sich in einer verschlossenen Kiste in Luft auflösen. Alles nur Humbug, alles nur Tricks? So kann man das natürlich auch sehen. Doch in der neuen GOP-Show „Zauberhaft“ werden genau solche Kunststücke dargeboten. Es sind magische Momente in einer desillusionierten Welt, Momente, in denen das Staunen wieder möglich scheint. Zumindest, bis zur nächsten Moderation, die das Publikum unerbittlich in die Wirklichkeit zurückschleudert, in den Theatersaal statt in das Reich der Fantasie. Denn ein längerfristiger Aufenthalt im Wunderland ist im Konzept von „Zauberhaft“ leider nicht vorgesehen.
Dabei sind die Talente ohne Frage vorhanden. Vor allem Vogelmagier Jay Niemi verblüfft das Publikum in jeder Sekunde seiner Nummer neu. Während andere Vertreter seines Fachs Karten aus der Luft greifen und das als Höhepunkt ihres Auftritts feiern, sind derartige Aktionen für Niemi lediglich Fingerübungen. Stattdessen beschwört er Vögel, einen nach dem anderen. Vier Tauben, einen Kakadu und einen Ara (letztere dürfen auch mal eine Runde über den Köpfen der Zuschauer drehen) ruft er herbei, indem er bunte Stofftücher zusammenknüllt – und egal mit wie viel Ratio man das GOP betritt, wird doch wahrscheinlich jeder zumindest für einen kurzen Augenblick an echte Magie glauben oder zumindest glauben wollen. Bei Jorgos ist das derweil nur noch bedingt der Fall, obwohl er unter anderem eine charmante Asiatin im Pink-Panther-Kostüm aus einer schwebenden Kiste springen lässt oder mit selbiger den Platz tauscht, obwohl er sich kurz zuvor in eine Art Gefängnis hat sperren lassen. Spektakulär, aber letztlich doch nur eine Frage der Technik. Und Moderator Jan Mattheis? Der erklärt sogar einen Trick, um die Umbaupausen zu überbrücken, und zerstört so jeden Anflug von Illusion. Zugegeben, das soll ja so sein, und Mattheis erweist sich bei dieser Show als wirklich guter Conferencier, mit genau der richtigen Dosis an Witz, um nicht peinlich zu wirken, und genug Charme, das man ihm auch das verzeihen würde. Schade ist es dennoch, denn als reines Nummernkabarett fehlt „Zauberhaft“ genau jenes Attribut, das der Show ihren Namen gibt.
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Andererseits setzen auch die Akrobaten alles daran, das scheinbar Unmenschliche möglich zu machen. Die biegsame Pole-Tänzerin Iaroslava Slovena wirbelt mit einer reizvollen Mischung aus Präzision
und Sinnlichkeit um die Stange, während sich die beiden Rollschuhakrobaten vom Duo Rève de Lumière kurzerhand an Strapaten in die Lüfte schwingen und somit zwei Kunstformen gleichzeitig bedienen.
Absolut überragend ist zudem die Darbietung des Duos Ogor, das der ein oder andere vielleicht noch aus „Rockstars“ kennt: Milana und Mariusz erschaffen unglaublich kraftvolle und zugleich
sinnliche Körperbilder, das aber in einer atemberaubenden Entschleunigung, die einen Ruhepol in dem sie umgebenden Lasergewitter bildet.
Bleibt noch Raymond Raymondson. Der Magier des Scheiterns, die tragische Figur des Abends. Nichts will ihm so recht gelingen, alles geht schief. Das Kaninchen ist nicht im Hut, sondern im
Zauberkasten und daher auch alles andere als quicklebendig; die Teleportation gelingt nur in unmittelbarer Nachbarschaft zum Vorhang; und der Handstand auf dem Stuhl, mit dem Raymond sich ein
zweites Standbein in der Akrobatik schaffen wollte, ist ein Kraftakt jenseits der Möglichkeiten des Franzosen. Nur die großen Gesten seiner Kollegen, die beherrscht er – nun ja, mehr oder
weniger. Raymond ist der rote Faden von „Zauberhaft“, der einzige mit einer Geschichte, allerdings mit einer, die sich nicht entwickeln kann oder vielmehr darf. Im Magier-Geschäft ist eben doch
kein Platz für Poesie und Zauberei. Nur für Tricks. Die aber sind dafür uneingeschränkt zu empfehlen.
Termine
„Zauberhaft“ läuft noch bis zum 9. Januar 2022 im GOP Bonn. Vorstellungen finden jeweils Mittwochs und Donnerstags um 20 Uhr, Freitags und Samstags um 18 Uhr und um
21 Uhr sowie Sonntags um 14 und 18 Uhr statt. Karten sind ab 39 Euro an allen Vorverkaufsstellen erhältlich. Weitere Informationen unter www.variete.de/bonn.
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