Die gesamte Harmonie singt, immer die selben Töne, wieder und wieder, ohne müde zu werden. Wie auch angesichts der Glückshormone, die durch die gut 200 Körper pulsieren, ausgelöst durch ein Konzert, das alle in seinen Bann gezogen hat. Zum ersten Mal ist die französische Progressive-Rockband Lazuli zu Gast in Endenich, nach zwei verschobenen Terminen – und was das Quintett um die beiden Leonetti-Brüder Dominique und Claude abliefern, ist nicht weniger als eine Offenbarung. Was für eine Vielfalt, was für eine Leidenschaft, was für ein Genuss. Da muss man manchmal einfach mitsingen. Und Lazuli? Geht darauf ein, lässt Drummer Vincent Barnavol und Keyboarder Romain Thorel einfach mal machen, lässt sie improvisieren und die Impulse des Publikums aufnehmen, ganz spontan und gerade dadurch so unglaublich ehrlich.
Ohnehin hat die Band schon von der ersten Sekunde an die Menge in der Tasche, selbst jene, die die Franzosen zum ersten Mal auf einer Bühne erleben. Zugegeben, Lazuli erfinden den Progressive Rock nicht neu, die Anleihen an Pink Floyd, Peter Gabriel und Porcupine Tree sind unüberhörbar – aber sie lassen sich niemals festlegen, durchbrechen genüsslich Erwartungen und haben dabei so viel Spaß, dass ihnen die Herzen aus dem Saal nur so zufliegen. Und immer wieder gibt es etwas Neues zu hören. Mal wird ein Waldhorn zum Didgeridoo umfunktioniert, dann wieder die Akustik-Gitarre umgeschnallt und die Verbindungen zum Folk und zum Chanson gepflegt. Und stets ist die Léode dabei, jenes einzigartige Instrument, dass Claude Leonetti erfand, nachdem er durch einen Motorradunfall die Kontrolle über seinen linken Arm verlor. Es sei eine Mischung aus Gitarre, Synthsizer und Singender Säge, erklärt Leonetti auf der Webseite der Band. Vor allem aber ist es ein Zauberbrett, eine Tür in einen Klangkosmos, die ihr Erfinder mit der rechten Hand meisterhaft bedient. Während Dominique Leonetti seine Stimme immer wieder in die Höhen schraubt und gerne auch mal mit dem neuen Gitarristen Arnaud Beyney Rock-Gewitter erzeugt, untermalen Monsieur Claude und Romain Thorel selbiges mit einer farbenprächtigen Grundierung.
Trotz der Komplexität der auf diese Weise entstehenden Klänge verlieren die fünf Franzosen nie ihre Leichtigkeit und ihren Witz. Herrlich etwa, wie Thorel bei „15H40“ seine Keyboard-Läufe ausbremst, immer langsamer wird und beinahe über den Tasten einschläft, oder wie Frontmann Claude diesem immer wieder die Bälle zuwirft. Und ihn letztlich von der Leine lässt, um mit dem Publikum im Rücken zu improvisieren. Die stärkste Pointe haben sich Lazuli jedoch für die Zugabe aufgespart: Dann nämlich stehen sie allesamt am Xylofon, fünf Männer, neun Schlägel und ein Cover. The Police, „Every Little Thing She Does Is Magic“. Ein Titel, der auch auf Lazuli zutreffen würde. Die haben übrigens schon versprochen, wiederzukommen. Wahrscheinlich 2023, mit einem neuen Album im Gepäck. Sehr schön.
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