Gregoire Gros: Lieder in schwarz-weiß

Er war ein Orkan, eine Naturgewalt, ungestüm, animalisch, expressiv, ein Sänger mit großen Gesten und noch größerem Pathos, der aber gleichzeitig ungemein empathisch sein konnte: Jacques Brel gilt bis heute als einer der wichtigsten Chansoniers – und gerade wegen seines Temperaments als große Herausforderung für jeden, der ihm auch nur ansatzweise gerecht werden will. Jetzt hat sich der Schauspieler Gregoire Gros, der in der Spielzeit 2012/2013 am Theater Bonn engagiert war und dort auf den Regisseur Michael Barfuß traf, eben jenen Brel zur Brust genommen und ein abendfüllendes Programm zusammengestellt. Im Pantheon taucht er tief in das Wesen des Belgiers ein, nimmt sich seiner Lieder an und macht sie sich zu eigen. Was schon an sich große Kunst ist.

Gros ist nicht wie Brel, spielt ihn auch nicht, deutet ihn höchstens an. Wenn er singt, ist das eher wie eine Brise, die manchmal auffrischt, aber niemals zum Sturm wird. Kontrolle, das scheint für Gros das entscheidende Wort zu sein. Das Tier in Brel hält er stets im Zaum, lässt es mal anschlagen, aber keinesfalls ausbrechen und wüten. Auch die Gesten bleiben in der Regel klein, der Körper starr, die Haltung fast schon wie die von Max Raabe. Selbst die Texte sind nur zum Teil die Originale, mindestens genau so oft greift er auf die bis heute unerreichten Übersetzungen von Klaus Hoffmann zurück. Und doch ist alles, was Gros macht, irgendwie auch Brel. Ein leiser Brel, zugegeben, einer, der keine Schweißausbrüche hat und pro Konzert fast ein Kilo abnimmt, sondern einer, der sich zurücknimmt und der dennoch die Spannung erahnen lässt, die von der Musik ausgehen. Denn die ist ohne Zweifel da, nicht zuletzt dank der feinen Arrangements, die Michael Barfuß der vierköpfigen Band diktiert hat, aber auch dank der Sprache in den Chansons, die so einfach scheint und doch so vielschichtig ist. „Brel schrieb seine Lieder in schwarz-weiß, nur ab und zu schrieb er ein Wort in Farbe“, sagt Gregoire Gros dazu. Ein poetisches Bild. Aber eines, das durchaus zutrifft.

Geschickt setzen Gros und seine Band die Stücke aneinander und formen so einen biographischen Rahmen, den Briefe und poetische Erklärstücke füllen. Die Hassliebe zu Brels flandrischen Heimat verknüpfen sie mit der Erinnerung an die Besetzung Belgiens während des zweiten Weltkriegs und mit „Le plat pays“, einem der berühmtesten Chansons des Abends. Ehefrau Thérèse Michielsen, genannt Miche, die Brel trotz etlicher Affären und Parallel-Beziehungen stets treu blieb, widmet Gros „Ne me quitte pas“, während das Werben um andere Frauen mit dem naiven „Les Bonbons“ abgetan wird. Natürlich erklingt auch „Amsterdam“, wenn auch deutlich zahmer als im Original, später dann „Le Moribond“ und das traumhaft zärtliche „La Chanson des Vieux Amants“, das Gros wunderbar zart interpretiert. So kann es ruhig weitergehen. Bis 2023: Dann soll das Programm mit großem Orchester unterlegt werden.

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