Steiner & Madlaina + Trixsi: Hochglanzmusik und Kellerrock

Es ist schön, es ist seltsam, es ist ungewohnt: Anderthalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie stehen die Menschen wieder in der Harmonie und genießen ein Konzert, ohne Maske, ohne Abstand, ganz entspannt und freudig erregt über ein Ereignis, das fast so etwas wie die Rückkehr zur Normalität einläutet. Der Saal ist zwar nicht so voll wie früher – noch begrenzen ein paar Regeln die Größe von Veranstaltungen in Clubs –, die Stimmung dafür wieder so ausgelassen, wie sie sein soll, während auf der Bühne gerockt wird.

Kein Wunder beim ersten Tag des Crossroads-Festivals. Es mutet wie ein Wink des Schicksals an, dass damit eine hoffentlich lang anhaltende Phase der Beruhigung beginnt – immerhin lief im März 2020 ebenfalls eine Aufzeichnung für den WDR Rockpalast, als Land und Bund das Publikum aus dem Konzertsaal verbannten und der erste Lockdown begann. Umso mehr sind sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung bewusst, während sie gleichzeitig wieder Bands auf die Bühne holen, die es wert sind, gehört zu werden.

 

Insgesamt sieben Tage läuft die aktuelle Ausgabe des Crossroads-Festivals, länger als jemals zuvor. Wie gewohnt haben die Organisatoren eine bunte Mischung zusammengestellt, die schon an diesem ersten Abend deutlich wird. Auf der einen Seite der Progressive-Indie-Pop von Steiner & Madlaina, auf der anderen der rotzige Punkrock von Trixsi. Und beides funktioniert. Das Schweizer Damen-Duo, das für ihren Live-Auftritt von einer exzellenten, ungeheuer präzisen Band gestützt wird, erweist sich dabei allerdings als stilistisch vielfältiger und unvorhersagbar, gibt sich mal wuchtig, dann wieder zart, immer eigen und nur selten artig. Die schwarzhaarige Nora Steiner erinnert immer dann, wenn sie wieder mal wie ein kleines Mädchen über die Bühne hopst, an eine schweizerische Schwester von Lucilectric-Sängerin Luci van Org, nur um dann wieder in der Melancholie zu versinken oder in die Saiten ihrer Gitarre zu hauen, während Madlaina Pollina, Tochter des italienischen Cantatore Pippo Pollina, mit Vorliebe von Enttäuschungen und Trennungen singt, ihre bissigen Texte allerdings hinter einer Hochglanzfassade verbirgt und so die Lakonie von Element of Crime mit der Spannung von Lana del Rey vermischt. Nicht jeder Song der beiden hat Ohrwurm-Qualitäten, und vor allem in der Mitte ihres Auftritts driftet die Band ein bisschen zu sehr in die gewollt-bemühte Tragik ab, doch mit Titeln wie „Das schöne Leben“ geht die Stimmung wieder nach oben und sorgt beim Publikum für jede Menge Begeisterung.

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Trixsi versucht derweil gar nicht erst, angepasst und intellektuell zu wirken. Die Band, die ihren Sound mit „ein bisschen Keller, ein bisschen dreckig, ein bisschen Rock und ganz viel Hamburg“ umschreibt, ist gnadenlos direkt. „Mir geht’s nicht gut“, singt Frontmann Jörkk Mechenbier, der in der norddeutschen Indie-Szene ebenso bekannt ist wie seine Kollegen, die alle in Formationen wie Herrenmagazin oder Jupiter Jones aktiv sind. Mechenbier leidet, im Zweifel an sich selbst, bellt und kräht sich diesen Frust von der Seele und bewältigt den Alltag ansonsten mit einer Kombination aus Gesellschaftskritik und Punker-Humor. Die eigenen Talente belächelt er nur, die seiner Mitmusiker ebenfalls, und so sucht er eben im Publikum nach jemandem, der etwas Besonderes kann. Pfeifen zum Beispiel. Oder irgendetwas anderes, mit dem sich die Sendezeit füllen lässt. Outen will sich jedoch keiner, und so bleibt es an Trixsi hängen, die Zeit sinnvoll zu gestalten, indem sie Raser auf der Autobahn beschimpfen, alles auf morgen schieben oder sich mit Frau Gott unterhalten. Die Musik, wüst und rau wie der Hamburger Kiez, erzeugt dabei einen Sog, dem sich niemand entziehen kann, auch Mechenbier nicht, der mit jedem Lied besser und stabiler wird. Ein guter Auftakt für Crossroads.


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