„Circus“: Manege frei!

Atemberaubende Artistik, jede Menge Energie und der Drang nach Perfektion: Diese drei Elemente bilden den Kern der neuen GOP-Show „Circus“. Nach der Weltpremiere in Bremen ist sie nun in das Bonner Haus gekommen, das gerade erst sieben nahezu ausverkaufte Wochen mit „Camping“ zu einem glücklichen Abschluss gebracht hat und nun hofft, mit der Kunst des Circus-Theaters „Bingo“ aus Kiew daran anschließen zu können. Das sollte eigentlich kein Problem sein, auch wenn die neue Produktion in Konzeption und Ästhetik eine ganz andere Richtung einschlägt. Feine Poesie und skurrile, ineinander verflochtene Geschichten spielen nunmehr keine große Rolle; doch was „Camping“ an Witz und Charme besaß, wird in „Circus“ durch Kraft, Athletik und Clownerie ersetzt. Eine Mischung, die ebenfalls ihren Reiz hat.

Regelmäßigen GOP-Besuchern dürfte die Ästhetik von „Circus“ bekannt vorkommen, immerhin hat das Theater „Bingo“ 2018 schon „Fashion“ zu verantworten gehabt. Einige Ensemble-Mitglieder von damals sind auch jetzt wieder mit von der Partie – und scheinen in dieser Zeit nur noch stärker geworden zu sein. So jagt Alexey Bitkine inzwischen nicht mehr allein den Pole genannten Mast empor, sondern zusammen mit seiner Frau Tatiana, und wenn diese mal in atemberaubenden Tempo nach unten rutscht, verhält er sich wie ein Gentleman, springt zur Seite und macht Platz. Oder er fängt sie auf, stützt sie oder hält sie einige Meter über dem Bühnenboden an nur einer Hand fest. Was für ein Kraftakt, was für ein Timing, was für ein Wahnsinn. Ähnlich spektakulär erweist sich die Luftschlaufen-Nummer von Tatiana Yudina und Maryna Tkachenko, die sich auch mal im Spagat gegenübersitzen: Die eine oben, die andere darunter hängend. Und noch ein drittes Duo ist beim „Circus“ dabei, nämlich die beiden Muskelmänner Vitalii Neponiashchy und Dmytro Naumenko, die eine starke Partnerakrobatik zeigen.

Alexey Bitkine ist allerdings nicht nur am Mast eine zentrale Figur, sondern auch als Gegenpol zu dem irren Zirkusdirektor Eduardissimo, hinter dem niemand anderes als der legendäre KGB-Clown Eddy vom Circus Roncalli steckt. Schon allein seinetwegen lohnt sich ein Besuch der Show, die neben den bereits genannten Duo-Auftritten auch vor einzigartigen Soli strotzt. Die biegsame Schlangenfrau Anna Pieis zeigt ihre Kontorsionskünste, Hula-Hoop-Jongleurin Kateryna Kurichenko wirft die Reifen auch mal durch die Luft oder lässt sie über ihren Körper rollen, und der Diabolo-Künstler Anton Shcherbyna bezieht kurzerhand ein paar gespannte Schnüre mit ein, die den Doppelkegel zu ihm zurückkatapultieren. Und dann wäre da noch die Hauptfigur der rudimentären Rahmenhandlung, gespielt von Hanna Levchenko: Sie gerät durch Zufall in die bunte Welt des Zirkus, probiert sich aus und tut alles, um selbst an ein echtes Kostüm zu gelangen. Während sie ihren Träumen nachhängt, setzen die Artisten diese immer wieder um, mal am Luftring (Anastasiia Kornieieva), mal am Vertikaltuch (Kateryna Gurina). So viel Poesie gibt es dann doch. Und natürlich heißt es am Ende auch für die Neue: Manege frei! Und auf ins Abenteuer.

Termine
„Circus“ ist noch bis zum 7. November im GOP-Theater Bonn zu sehen. Vorstellungen finden immer Mittwochs und Donnerstags um 20 Uhr statt sowie Freitags und Samstags um 18 und um 21 Uhr sowie Sonntags um 14 und um 18 Uhr. Karten ab 39 Euro erhalten Sie in allen bekannten Vorverkaufsstellen.

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