Die Scheinwerfer machen an diesem Abend Überstunden. Anderthalb Stunden lang sorgen sie für ein bombastisches Lichtgewitter, färben Bühne und Publikum gleichermaßen ein und sind dabei doch nur die visuelle Bestätigung eines Konzerts der Extraklasse. Was die Giant Rooks an diesem Mittwoch vor rund 1500 Besuchern im Kulturgarten abliefern, ist schlichtweg ganz großes Kino, abwechslungsreich, kraftvoll, leidenschaftlich und einfach nur gut. Sehr gut sogar. Und mit etwas Glück ist das nur der Anfang.
Einen Moment, mögen jetzt viele Menschen sagen, muss man diese Band kennen? Die ehrliche Antwort: Bislang vielleicht nicht. Aber es lohnt sich, sie kennenzulernen. Immerhin waren die Rooks mit Mitte Zwanzig schon auf Welttournee, zumindest digital, via Zoom mit Konzerten rund um den Erdball, und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sie diese Reise in realitas wiederholen. Zu durchdacht ist ihr glamouröser Art-Rock, zu vielschichtig, zu spannend, um in den Fluten des gigantischen Musikmarktes unterzugehen. Im vergangenen Jahr hat die Formation aus Hamm um den charismatischen Sänger Frederik Rabe bereits zahlreiche Lobeshymnen für das Debütalbum „Rookery“ erhalten, aber live legt das Quintett die Messlatte noch einmal deutlich höher. Jeder Song ist anders, geprägt von beeindruckend ungewöhnlichen Rhythmen und einem vollen, epischen Sound, der aber nie der fantastischen Dramaturgie die Show stiehlt. Die Rooks spielen einfach zu gerne mit der Dynamik, nehmen sich mal zurück, reduzieren sich bei „Wild Stare“ sogar bis zu einem reinen a-capella-Gesang, blenden schließlich selbst diesen aus – und starten dann mit einem Knall wieder durch. Herrlich.
Zugegeben, manchmal kramen die Giant Rooks ein wenig zu tief in der Indie-Klischeekiste, aber die „Oh-oh-oh“-Refrains funktionieren nun einmal, nicht nur bei Coldplay, sondern eben auch bei den Giant Rooks, die sich bei Chris Martin offensichtlich ebenso Anregungen geholt haben wie bei Arcade Fire und den Rolling Stones (diesen huldigt die Band explizit mit einem kleinen „Sympathy for the Devil“-Intermezzo). Die Ausstrahlung von Frederik Rabe hilft da natürlich ungemein, ebenso wie seine Stimme, die mal im warmen Bariton tönt und dann wieder mühelos in jene Kopflagen wandert, die vor allem in der Indie-Szene so populär sind. Dort trifft Rabe dann seine Bandmitglieder – neben ihm haben auch Gitarrist Finn Schwieters, Bassist Luca Göttner und Keyboarder Jonathan Wischniowski immer wieder Gesangspassagen, die sie bravourös meistern. Kein Wunder angesichts der Stimmung vor Ort: Die Energie des euphorisierten Publikums ergießt sich wie ein warmer Sommerregen über die Band, die dadurch nur noch besser wird als ohnehin schon. Geschickt füllen sie den gesamten Bühnenraum mit Klang und verstehen es zugleich, diesem immer wieder neue Formen zu geben. Die begleitenden Grooves sorgen derweil dafür, dass wirklich keiner sitzen bleiben kann, vor allem wenn Schlagzeuger Finn Thomas wie bei „What I Know Is All Quicksand“ mit pulsierendem Beat nach vorne prescht. „Ihr seid der Wahnsinn“, ruft Frederik Rabe kurz vor den Zugaben mit Blick auf die tanzende, jubelnde Menge. Das Kompliment können wahrscheinlich alle Kulturgarten-Besucher uneingeschränkt zurückgeben.
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