Element of Crime: Flaneur auf einsamen Wegen

Ein bisschen Leid muss sein. Es geht nicht anders, egal wie sehr die Menschen sich nach anderthalb Jahren der Einschränkungen wieder auf positive Botschaften freuen. Ohne zumindest einen Hauch von Melancholie kann ein Konzert von Element of Crime einfach nicht funktionieren, ohne jene Mischung aus Liebe, Schmerz und Sehnsucht, an der sich Sänger Sven Regener berauscht und die keiner so geschickt mit poetischer Schönheit aufladen kann wie er.

Es ist eine Form der Katharsis, die der 60-Jährige seinem Publikum zum Auftakt der diesjährigen KunstRasen-Saison in der Gronau ermöglicht, eine Befreiung von allen Sorgen durch kollektive Wehmut und durch die Erkenntnis, dass es auch andere schwer haben und dass trotzdem alles besser wird, spätestens „am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang“, wie Regener zu Beginn des Konzerts singt. Kopf hoch, das Leben geht weiter. Nicht einfach weiter, wohl aber immerhin weiter. Auch mit der Kultur. Was derzeit immer noch nicht selbstverständlich ist.

 

Mit dem KunstRasen startet in Bonn nun nach dem Kulturgarten die zweite große Open-Air-Veranstaltungsreihe. Leicht ist die Situation für die Organisatoren allerdings nicht: Statt der bis zu 10.000 Besucher, die früher auf das Gelände am Fuße des Post-Towers kamen, ist aufgrund der Corona-Regeln nur noch für knapp 2200 bestuhlt. Immerhin sind aber die verfügbaren Plätze nahezu ausverkauft, um einem der bekanntesten Geheimtipps der deutschen Rock- und Pop-Landschaft zu lauschen. Am Sound haben Element of Crime dabei nie viel geändert; das Quartett bleibt vielmehr dem liebevollen Mix aus Chanson, Americana, Folk, Blues und Polka treu, der meistens ein bisschen verschlafen klingt, nostalgisch und eben melancholisch. Kein Wunder angesichts von Songs, die eher der Vergänglichkeit in all ihren Facetten huldigen, den nie wahrgenommenen Chancen, den in Vergessenheit geratenen Träumen und den verblassten Visionen. Zusammen scheinen die Stücke den Soundtrack eines verlorenen Lebens zu bilden, das Leben eines Menschen, der sich in der anonymen Sphäre der Großstadt in der Einsamkeit verliert, das Glück von außen betrachtet und doch immer wieder auf Distanz dazu geht. Aufgeben will dieser Flaneur auf den Straßen der Einsamkeit allerdings nicht. Ganz im Gegenteil. „Schön ist es nicht, doch es hilft dir, das Ende der Dinge zu spüren und doch daran nicht zu verzweifeln“, bringt es Sven Regener im bewusst eintönigen „Stein, Schere, Papier“ auf den Punkt. Nur so kann er weiter an die Hoffnung glauben. Und an die Liebe. Ach ja, die Liebe. Um sie dreht sich bei Element of Crime alles. „Ich hab mir überlegt, dass alles was ab jetzt geschieht, mich nicht mehr interessiert, wenn du darin nicht vorkommst“, singt Regener in „Bitte bleib bei mir“. Da ist sie ja, die hoffnungsvolle Perspektive eines unverbesserlichen Romantikers. Und wenn einer wie er das kann, dann wird es das Publikum auch schaffen.

Gut zwei Stunden träumt und sehnt sich Sven Regener auf dem KunstRasen mit knarziger Stimme in die Herzen der Fans, immer im Regen gehend und nie auf der Sonnenseite, aber auch nie in die Depression abrutschend, die doch so nah ist und aus den Gullideckeln einen Sirenengesang anstimmt. Dafür tänzelt er viel zu gerne über die Bühne und erfreut sich daran, endlich wieder singen zu dürfen. Dazu kramen Element of Crime genüsslich in ihrem Repertoire, angefangen beim 2018er Album „Schafe, Monster und Mäuse“ und zurückgehend bis zu „Try to be Mensch“, als Regener noch englisch sang, die Grundstimmung aber ebenso bedrückend und berührend war wie heutzutage, zartbitter und dennoch irgendwie süß. Das Publikum ist denn auch völlig verzaubert. Warum? „Weil es schön war“. Eben.

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