Ein paar Töne genügen, um es deutlich zu machen: Im Rockpalast residiert eine neue Königin. Und zwar eine, die den Blues nicht nur pflegt, sondern ihn auch lebt. Véronique Gayot hat sich am zweiten Abend des Crossroads-Festivals in der Harmonie derart mühelos auf den Thron geschwungen, dass man sich zwangsläufig fragt, warum die französische Sängerin nicht schon früher ihre Ansprüche geltend machen konnte. Immerhin steht sie bereits seit mehr als 35 Jahren auf der Bühne, und auch wenn sie sich erst 2018 mit ihrem Debütalbum „Wildcat“ offenbarte, hätte man sie gerne schon ein wenig länger gekannt, am besten vor Corona, um sie auch wirklich angemessen feiern zu können.
Gayots herrlich tiefe, rauchige Stimme, die mitunter ein wenig an Marla Glen und dann wieder an Maggie Bell erinnert und die doch noch weit tiefer im Blues a la Big Mama Thornton und Muddy Waters
verwurzelt ist, ist nicht weniger als eine Offenbarung, gepaart mit einem überaus feinen Gespür für die mal rohen und mal tiefgründigen Emotionen, die sich hinter einem guten Zwölftakter
verbergen und die es herauszuarbeiten gilt. Was Gayot mit Leichtigkeit gelingt, egal ob sie dem Depeche-Mode-Klassiker „Personal Jesus“ eine persönliche Note verleiht oder bei „The Monkey See The
Monkey Do“ Vollgas gibt. Ihre exzellente Band hilft dabei enorm, insbesondere Gitarrist Yannick Eichert, der immer wieder mit virtuosen Soli auf sich aufmerksam macht.
Im Gegensatz zum Vortag läuft Crossroads jetzt also auf Hochtouren. Schon Mutz & the Black-Eyed Banditz haben zuvor mit prägnantem Spiel, starker Dynamik und beachtlicher stilistischer
Bandbreite die Messlatte deutlich höher gelegt und sämtliche Facetten des Retro-Rock souverän bedient. Mal mäandern sie in Richtung Country („Last Grain of Sand“) oder Folk („Through The Night“),
so dass die akustische Gitarre von Frontmann Mutz Hempel gut zur Geltung kommt, nur um kurz darauf wieder eine härtere Gangart zu wählen. Sogar eine ebenso musikalische wie lyrische Verbeugung
vor den Bombast-Metallern von Manowar haben die Banditen im Repertoire („Hammer of the Gods“), die nicht nur erstaunlich gut gelingt, sondern sich auch ohne Probleme in das Gesamtbild einfügt.
Und das spricht für sich. Beziehungsweise für Mutz & The Black-Eyed Banditz. Ab und an könnte die Stimme des Bandleaders zwar ein bisschen rauer klingen, um den Songs zusätzliche Kraft zu
verleihen, und auf die ein oder andere Power-Ballade hätte man eher verzichten können, im Großen und Ganzen liefern der charmante Rocker aus Celle und seine Band-Kollegen aber ein überzeugendes
Konzert ab, das durchaus Lust auf mehr macht. Mal sehen, was der Rockpalast als nächstes aus der Wundertüte zieht.
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