Es ist schon ein seltsames Gefühl, an diesem Abend in der Harmonie zu sein. Sechs Monate zuvor, mitten während der Aufzeichnungen der damaligen Crossroads-Ausgabe für den WDR Rockpalast, initiierten Bund und Länder den Lockdown, um den Flächenbrand von Covid 19 aufzuhalten, so dass zwei der vier Doppelkonzerte ohne Publikum stattfinden mussten; jetzt geht das Festival in die nächste Runde, größer als jemals zuvor, und Corona ist immer noch da. Die Künstler aber auch, und die brauchen derzeit Bühnen und Aufmerksamkeit mehr denn je. Insofern ist es ebenso mutig wie konsequent, dass Crossroads erstmals über sechs Tage läuft, dafür allerdings mit deutlich weniger Zuschauern als gewohnt. Und zumindest am ersten Abend auch mit einem niedrigeren Ausgangsniveau als erhofft.
Vor allem The Jettes erweisen sich leider als Enttäuschung: Das junge Quartett, das sich irgendwo im Spannungsfeld zwischen Neo-Grunge und Garage-Rock tummelt und irrtümlicherweise als Shybits anmoderiert wurde, ist offenkundig nicht aufeinander eingespielt, hat zu wenig originelles Material und vor allem kein Gespür für Intonation und Harmonie. Mehrfach liegt Frontfrau Laura Lee ordentlich daneben, vor allem wenn sie sich mit Gitarrist Mark Lewis zusammentut – dann versuchen die beiden nämlich mit mehr Leidenschaft als Geschick, die Dissonanzen des Grunge zu reproduzieren, scheitern aber an der notwendigen Balance. Besser ist die Band immer dann, wenn sie einen Gang runterschaltet. Genau das haben derweil die echten Shybits nicht nötig. Das Trio sieht auf den ersten Blick zwar recht brav aus, kann aber überaus druckvoll rocken, vor allem dank des herausragenden Schlagzeugspiels von Megan Wright, das ständig nach vorne peitscht und dem krachenden Spiel von Piero Pecchi (Bass) und Liam Bradbury (Gitarre) einen Rahmen und eine Richtung verleiht. Zwar haben die Shybits ebenso wie die Jettes einen Hang zu Übersteuerung und Überfrachtung, was der Musik jegliche Differenzierbarkeit nimmt und sie letztlich in Lärm wandelt, doch verstehen die drei es immerhin, immer wieder neue Impulse zu setzen. Geht doch.
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