Storno: Abrechnung mit Freud und Hegel

In Wahrheit ist ja Bill Gates an allem schuld. Und Michael Jackson, der der dunklen Seite des Mondes seine Weltverschwörung plant und den Microsoft-Gründer vorgeschickt hat, um alle Menschen mit geheimen Fernsteuerungs-Molekülen zu impfen, was dank Corona ja nun auch passieren kann. Gleichzeitig verdient Gates Milliarden über seine Beteiligungen an Hakle und Zewa – wer also niest oder kackt, macht ihn nur noch reicher, als er sowieso schon ist. Zugegeben, diese Geschichte klingt zunächst ein wenig absurd, kommt aber direkt von der Möhrensuppe von Attila Hildmann, und die muss es ja wissen. Sagt zumindest Thomas Philipzen, der ein Drittel des Kabarett-Trios Storno bildet und genau für derartige Offenbarungen zuständig ist. Irgendwer muss den Kollegen Harald Funke und Jochen Rüther schließlich mit Fakten begegnen, wenn die wieder Sigmund Freud und Georg Wilhelm Friedrich Hegel zitieren. Die haben doch von Corona keine Ahnung. Und von Möhrensuppe auch nicht.

Natürlich dreht sich in der aktuellen Ausgabe der Storno-Sonderinventur, die am vergangenen Sonntag im gut gefüllten Pantheon für Begeisterung sorgte, alles um den Virus. Na gut, fast alles. Ein bisschen muss auch über die Suche der CDU nach ihrem Kanzlerkandidaten gesprochen werden, weswegen sich ja Länderchefs wie Markus Söder oder Armin Laschet händeringend in der derzeitigen Krise zu profilieren versuchen, auch wenn dabei der ein oder andere unter die Räder kommt. Von den ganzen Granden kann den Job allerdings keiner machen, da sind sich die Storno-Mitglieder sicher. Bleibt nur Olaf Scholz. Ist vielleicht die falsche Partei, macht aber die richtige Politik. Oder man krönt doch Angela Merkel zur deutschen Kaiserin. Dann wäre Ruhe, der Raute sei Dank.

Genüsslich legen Rüther, Funke und Philipzen den Finger in jede noch so kleine Wunde. Die ungleiche Verteilung von Vermögen ist ebenso Thema wie die unaufhaltsame Digitalisierung, die allerdings in Kirgisistan offenbar besser zu funktionieren scheint als in Deutschland – übrigens dank großzügiger Förderung durch die Bundesregierung. „In Dänemark haben 91 Prozent der Schüler einen permanenten Zugriff auf digitale Medien“, rechnen die Storno-Experten vor, „hierzulande sind es 4 Prozent.“ Aber warum in die Zukunft investieren, wenn die ohnehin von Bill Gates verwaltet wird?

Zwischen den bitteren Wahrheiten und den gelegentlichen Ausflügen in den Wahnsinn zeigen sich Storno auch von ihrer musikalischen Seite. Ein Lied über Ernährung und Stuhlgang wirkt zwar ein bisschen ordinär, die Gangster-Rap-Einlage von Funke, der sich als VW-Fahrer dem illustren Kreis der schweren Jungs zugehörig fühlt, ist dagegen brillant. Die Menge im Saal ist denn auch zu Recht begeistert und erklatscht sich insgesamt drei Zugaben.

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