Lisa Eckhart: Schneiderin des Absurden

Es heißt ja, das Leben schreibe die besten Geschichten. Blödsinn, erwidert Lisa Eckhart. Das Leben ist immerhin Analphabet. Es liefert höchstens den Stoff – und dann obliegt es dem Autor, wie ein tapferes Schneiderlein das Material in Form zu bringen und daraus wahlweise einen Sack zu nähen, ein Hemd für Jedermann oder im besten Fall ein einzigartiges Ballkleid. Mit ihrem Debütroman „Omama“ trifft Lisa Eckhart, ihres Zeichens Prix-Pantheon-Preisträgerin und zuletzt überaus umstrittene Kabarettistin, allerdings keines der genannten Schnittmuster. Vielmehr liegt sie irgendwo dazwischen, arbeitet mit feinen Sticheleien und scheut sich doch nicht vor dem ein oder anderen derben Flicken und erschafft so ein Kostüm, das ebenso extravagant ist wie sie selbst. Auf Einladung der RheinBühne hat Eckhart nun im gut gefüllten Brückenforum eine Kostprobe aus ihrem Werk gegeben.

„Omama“ erzählt die Lebensgeschichte von Großmutter Helga, angefangen beim Einmarsch der Russen in Österreich 1945, als sich Schwester Inge zum Schutz vor barbarischer Schändung unterm Bett verstecken musste, während die wenig adrette Helga auf selbigem zu sitzen hatte, um die Besatzer durch ihren Anblick von etwaigen Durchsuchungen des Zimmers abzuhalten. 1989 hat sie sich derweil zu einer erfolgreichen Salami-Schmugglerin entwickelt, die mit etlichen senilen Senioren Fahrten nach Ungarn unternimmt, um dort Fleischwaren zu erstehen, was so lange gut geht, bis einer ihrer Reisegäste das Zeitliche segnet. Absurd? Ja. Aber auch überaus unterhaltsam, zumal Eckharts Sprache derart geschliffen und gleichzeitig so mitternachtsschwarz ist, dass es eine Freude ist.

Zwischen den einzelnen Passagen plaudert Eckhart gewohnt scharfzüngig aus dem Nähkästchen. Für Literaturkritiker hat sie nicht viel übrig, für Moderatoren noch viel weniger, und überhaupt nichts für die Scharen von Social-Media-Nutzern, die ohne Respekt vor der Sprache irgendwelche Belanglosigkeiten absondern, die vor dem Internet lediglich auf den Wänden eines Kneipen-Klos verewigt waren. „Alleine die Twitter-Gemeinde schreibt pro Tag so viel, dass es 70 Mal den 'Zauberberg' füllen könnte“, rechnet sie vor. „Und schon das Original hätte Thomas Mann sich sparen können.“ Dann doch lieber ein sorgsam gedrechseltes Werk wie „Omama“, mit dem sich Eckhart einen lange gehegten Traum erfüllt hat. „Ich wollte nie, dass man mich hört, sondern nur, dass man mich liest“, gesteht sie. Besser spät als nie. „Ich bin jetzt 27 – in meinem Alter war Büchner schon zwei Jahre tot.“ Der wurde allerdings auch nicht bei einem Hamburger Literaturfest ausgeladen. „Ich dachte immer, dass in der Literatur nur das Werk zählt und nicht die Person“, sagt Eckhart dazu. In Bonn ist sie auf jeden Fall willkommen, wird vom Publikum ausgelassen gefeiert und stellt sich am Ende sogar den Fragen der Menge. Ein gelungener Abend.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0