Dieter Nuhr: Ein Plädoyer für weniger Aufregung

Manches, nein, vieles ist Dieter Nuhr zu extrem. Übertriebene Aufregung allerorten, gespeist von den sozialen und den klassischen Medien, die entweder in Verschwörungstheorien mündet oder in Maßnahmen, die an der Realität vorbeigehen. Da kann der 59-Jährige nur mit dem Kopf schütteln – und mit Worten gegen den Irrsinn dieser Zeit vorzugehen. Am vergangenen Dienstag war der Kabarettist nun auf Einladung der Springmaus im Kulturgarten in der Bonner Rheinaue zu Gast und unterhielt eine gute Stunde lang rund 1000 Besucher.

Natürlich widmet sich Nuhr zunächst einmal der Corona-Pandemie mit all ihren teils bitteren und teils skurrilen Auswüchsen. Die im Internet verbreitete Vermutung, es gebe einen Zusammenhang zwischen Infektionsraten und der Verfügbarkeit des 5G-Handynetzes, kann er nur unterstreichen, ebenso wie es auch eine Korrelation zwischen Corona und Ampeln gebe: „Der Virus verbreitet sich dort, wo Menschen sind, also in Großstädten und nicht in der Uckermark.“ Gleichzeitig hinterfragt er angesichts zusätzlich durchgeführter Tests die Validität steigender Infektionszahlen und kritisiert die ein oder andere Einschränkung in der Krise. Muss man ja auch mal sagen dürfen. Oder? „Früher gab es noch Menschen, die eine andere Meinung als die eigene akzeptieren konnten“, beklagt sich Nuhr, der für seine Positionen immer wieder hart angegangen wird. „Heutzutage lebe ich in einem Dauer-Shitstorm. Irgendwas scheine ich also richtig gemacht zu haben.“

Allerdings ist der Unterschied zwischen Meinung und Irrsinn mitunter recht klein, wie auch Nuhr zugibt. Die Gender-Debatte kann er zum Beispiel nicht nachvollziehen. „Hier schlägt ein berechtigtes Interesse ins Extrem um“, sagt er und wendet sich etwa gegen neue Sprachkonstruktionen, die mitunter übrigens von den selben Menschen propagiert werden, die sich über Anglizismen echauffieren. Mehr Gelassenheit fordert er, und mehr Toleranz. Aber die richtige. „Toleranz ist, wenn ein Veganer akzeptiert, dass ich auf meiner Party auch Fleisch essen möchte“, sagt er. Oder wenn gläubige Muslime nicht empört die Teilnahme an einem Schulfest absagen, nur weil abends für die Eltern Bier ausgeschenkt wird. "Das kann und muss man einfach aushalten", so Nuhr.

Nach gerade einmal einer Stunde beendet Dieter Nuhr seinen Auftritt – mit seinem Programm „Kein Spaß“ hat er da, so behauptet er zumindest, noch gar nicht angefangen. Hätte er ruhig machen können, statt sich um die verschlumpften Texte von Rappern wie Capital Bra und Kollegah zu kümmern und ihnen so mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, als nötig gewesen wäre. Das begeisterte Publikum erklatscht sich allerdings noch zwei Zugaben, die es sich angesichts der entspannten Atmosphäre auf dem Platz auch redlich verdient hat.

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