Eigentlich waren sie doch alle Jazzer, die alten Meister. Schumann, Liszt, Mozart: Improvisatoren und Virtuosen aus Leidenschaft, die sicherlich nur zu gerne gehört hätten, was Marcus Schinkel und Joscho Stephan zum Auftakt der Konzertreihe „Musik unter der Zeder“ aus ihren Werken gemacht haben. Vor dem Kleinen Theater Bad Godesberg traf Klassik auf Gypsy-Swing, Beethoven auf Django Reinhardt und ein Crossover-Pianist auf einen pfiffigen Gitarren-Virtuosen, sehr zur Freude der immerhin 100 begeisterten Gäste (und zur Irritation einiger zeternder Vögel). Unter freiem Himmel konnten sie, eng nebeneinander auf den nummerierten Stühlen sitzend, die Corona-Krise zumindest für ein paar Stunden verdrängen und die Melodien wieder in vollen Zügen genießen. Und die haben nicht weniger verdient.
Dabei sah es zunächst danach aus, als würde das Wetter der von Kleinem Theater und Kulturverein KuKuG organisierten Veranstaltung noch einen Strich durch die Rechnung machen. Am Ende setzte sich
jedoch die Sonne gegen die Regenwolken durch, und auch wenn es ein wenig frisch war und vor allem die lange Pause für leichten Unmut sorgte, kompensierte das kongeniale Spiel von Schinkel und
Stephan dies vollumfänglich. Die beiden Musiker, die ihr Programm jetzt erstmals im Duo präsentierten, nahmen sich der klassischen Werke mit Esprit und Witz an, verliehen ihnen Schwung und
spickten sie mit kleinen Zitaten aus Film- und Pop-Musik. So wechselten sie vom 3. Satz der „Pathetique“ mal gerade eben in die Halle des Bergkönigs und begleiteten Inspektor Jacques Clouseau bei
der Jagd auf den Rosaroten Panther, bevor sie wieder den Weg zurück zum jazzigen Beethoven fanden. Dabei erschienen manche Wechsel durchaus abrupt, so dass die Stücke mitunter eher wie Collagen
wirkten – dank der Brillanz Schinkels und Stephans war dies jedoch nie ein Störfaktor.
Neben verjazzten Kompositionen aus dem Reich der Klassik – samt einer teils mit dem Theremin gespielten Version von Claude Debussys „Rêverie“ und einer fantastischen Version von Schumanns
„Nachklänge aus dem Theater – nahm sich das Duo auch einiger Gypsy-Swing-Nummern an, die Joscho Stephan einbrachte und bei denen er ganz in seinem Element war. „Wie schnell kannst du?“, fragte er
etwa bei dem jüdischen „Joseph, Joseph“ seinen Bühnenpartner und legte gleich die Messlatte hoch. Kein Wunder, dass Schinkel ihn als einen Künstler vorstellte, der schneller spiele als sein
Schatten. Andererseits kann der Tausendsassa an den Tasten dabei ohne Probleme mithalten und unter anderem den 4. Satz von Beethovens 4. Sinfonie mit den Akkordwechseln aus „I got rhythmn“
kombinieren. Muss man auch erst einmal hinkriegen. Das Publikum war auf jeden Fall von derartigen musikalischen Wagnissen euphorisiert, erfreute sich an der schönen Stimmung unter der Zeder und
könnte somit am 20. Juli wieder zum Kleinen Theater pilgern. Dann spielt die Godesberger Singer-Songwriterin Cynthia Nikschas. Ab dann folgen weitere Konzerte bis zum 24. August im Wochenrythmus.
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