Ingo Appelt: Ordinäre Verbal-Attacken

Es ist erst in paar Jahre her, dass Ingo Appelt sich vom Saulus zum Paulus wandelte, Frauen zu Göttinnen stilisierte und das böse F-Wort in den Giftschrank verbannte (auch wenn er diesen genüsslich sperrangelweit offenstehen ließ). Damals schien der Comedian, lange Zeit enfant terible und Provokateur par exellence der Kleinkunst-Szene, endlich erwachsen werden zu wollen. Wenn schon obszön, dann wenigstens mit einer ordentlichen Dosis Ironie und Selbstreflexion. Doch von diesem lobenswerten Ansatz ist bei Appelts vom Pantheon organisierten Auftritt bei den Bonner Autokonzerten am Westwerk nichts mehr zu spüren. Ganz im Gegenteil: Der 53-Jährige schmäht mal wieder alles und jeden, beleidigt und beschimpft Köln, Merkel, Nahles und die junge Klimaschutz-Generation und bringt dabei nur selten Argumente für seinen Unmut vor. Ist halt alles Mist heutzutage, früher war es besser. Eine mit Blick auf Appelts Performance zumindest partiell nachvollziehbare These.

Das Format des Autokonzerts scheint dabei gegen Appelt zu arbeiten. Es fehlt das Johlen der Menge, die Erregung angesichts scheinbar verbotener Aussagen und der Beifall an einen, der auszusprechen wagt, was viele im Publikum nicht zu denken wagen. Der niedere Humor des Kollektivs, das Gefallen an pubertären und ordinären Sprüchen findet, wird zwar angesprochen, verpufft aber ohne das Gruppenerlebnis und offenbart die Leere, die sich hinter den Pointen verbirgt. Aus welchem Grund arbeitet sich Appelt so an Angela Merkel ab, die er in einer dystopischen Zote trumpscher Färbung als hässliche Sekretärin Hitlers darstellt und die er ohnehin fast ausschließlich für ihr Äußeres abstraft und nicht für ihre Taten? Warum meint er, den SPD-Wahlkampf mit einem Slogan rund um „A. Nahles“ aufwerten zu können? Und warum glaubt er, dass derartige Aussagen auch nur ansatzweise witzig seien?

Natürlich gehört es zum Wesen Appelts, dass er über die Strenge schlägt, damit hat er seit Jahrzehnten Erfolg. Doch ohne eine ironische Brechung, ohne Meta-Ebene und deutliches Augenzwinkern, erweisen sich die vermeintlichen Gags zu oft als geschmackliche Entgleisungen, eher peinlich und polemisch als prägnant und pointiert. Mehr noch, mitunter wirken sie einfach nur noch verbittert. „Da verbrennt die Generation meiner Söhne ungeheuer viel Energie, nur um ihre Smartphones zu laden und damit Fotos vom Essen zu machen, und dann wollen die mir was über Umweltschutz erzählen“, echauffiert er sich – und belässt es dabei, anstatt seinen Unmut zu unterfüttern. Stattdessen sehnt er sich nach früheren Zeiten, erinnert sich an Politiker wie Norbert Blüm, Helmut Kohl und Rudolf Scharping, an denen er sich abarbeiten konnte und die als Vorlagen für einige seiner berühmtesten Parodien dienten. Den Sprung in die Gegenwart scheint Appelt hingegen verpasst zu haben. Seine ausschließlich auf den Schock-Moment ausgerichteten Verbalattacken sind schlichtweg zu plump, um noch irgendeine Relevanz zu haben. So bleiben enttäuschende 90 Minuten und die Hoffnung, dass es irgendwann wieder so wie früher wird.

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