Lloyd Cole: Pure Pop-Poesie

Mit Worten konnte Lloyd Cole schon immer hervorragend umgehen. Der britische Sänger, der zwischen Soul-Rock, New Wave, Elektronika und Singer-Songwriter-Folk schon so ziemlich alles ausprobiert hat, kann durchaus als Intellektueller gelten, der mit seinen sparsam instrumentierten Stücken gerne mal philosophische Gedanken anreißt und dabei alle Register der Lyrik zu ziehen versteht. Jetzt hat der 59-Jährige im Pantheon einen Abriss seines Schaffens vom ersten Erfolg mit „Rattlesnake“ bis hin zum neuesten Album „Guesswork“ präsentiert – ganz ohne die sonst üblichen Synthi-Sounds und andere Klang-Spielereien, sondern pur und unverfälscht. Ein Mann, eine Gitarre, das kann reichen. Doch in diesem Fall sind zwei besser.

Eigentlich hat Cole seinen langjährigen Freund Neil Clark mit dabei, den er noch von seiner Zeit mit den Commotions kennt. Aber aus irgendeinem Grund versucht er zunächst, sich als seine eigene Vorband zu generieren. Am Material kann es nicht liegen: In dem 35-minütigen Set spielt Cole mit „Rattlesnakes“ und „My Bag“ zwei der größten Hits aus der Commotions-Ära, dazu kommen noch acht weitere Titel, von denen der ein oder andere ein bisschen verkürzt wirkt, so als ob die Reduzierung auf die Folk-Stilistik einige Auslassungen zur Folge hätte, die nicht vernünftig haben verheilen können. Andererseits legt sich Coles warme, mitunter erstaunlich hohe Stimme wie Balsam über die Bruchstellen – und sobald nach der Pause Clark mit der zweiten Gitarre hinzukommt, erübrigt sich dieses Problem ohnehin weitgehend. Das filigrane Spiel kommt schon bei dem Klassiker „Are You Ready To Be Heartbroken“ hervorragend zur Geltung und wird später etwa bei „Myrtle And Rose“ oder dem schmalzigen, aber inhaltlich bitteren „Violins“ entscheidend sein.

Zugegeben, stilistisch bleibt Lloyd Cole an diesem Abend überschaubar, der Rückblick eher eindimensional denn vollumfänglich. Schön sind die einzelnen Stücke dennoch, sehr schön sogar. Umso bedauerlicher ist es daher, dass Cole das Publikum kategorisch bevormundet, sich rhythmisches Mitklatschen verbittet oder gar Harmoniegesang. „Das ist immer ein Desaster“, sagt er. Schade. Immerhin sind vor allem alte Fans gekommen, die insbesondere bei den Klassikern gerne einstimmen würden. Das wird ihnen verwehrt, ebenso übrigens wie ein Treffen mit Lloyd Cole, der aufgrund des Corona-Virus darauf verzichtet, nach dem zweieinhalbstündigen Konzert noch zu seinen Fans zu gehen. Das muss dann eben nachgeholt werden. „Wir sind zwar alte Männer, aber noch nicht tot“, sagt Cole. Es gibt also Hoffnung. Immerhin.

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