Acht Jahre ist Claus von Wagners „Die Theorie der feinen Menschen“ jetzt alt, acht Jahre und noch immer so aktuell wie eh und je. Eigentlich ein Armutszeugnis. Nichts hat sich geändert auf den Finanzmärkten der Erde: Weiterhin wetten gierige und skrupellose Spekulanten mit Derivaten auf so ziemlich alles von Ernteausfällen bis hin zum Tod von Senioren, während die von ihnen beauftragten Rating-Agenturen und Wirtschaftsprüfer die Anleger an der Nase herumführen. Ein Geschwür, das ungehindert weiter wachsen und metastasieren darf, egal wie oft davor gewarnt wird, von Wissenschaftlern, von den wenigen weißen Schafen der Branche – und von Kabarettisten wie eben Claus von Wagner. Der 42-jährige Co-Chef der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ hat schon auf dem Höhepunkt der Finanzkrise die gefährlichen Mechanismen der Großbanken unter die Lupe genommen und in einem brillanten Solo-Stück präsentiert. Im Pantheon hat er nun eine der letzten Vorstellungen gegeben.
Von Wagner schlüpft in „Die Theorie des feinen Menschen“ in die Rolle von Claus Neumann, Sohn eines kürzlich verstorbenen mächtigen Wirtschaftsprüfers. Ihm zu Ehren soll er nun eine Rede
schreiben, und da er ohnehin durch ein Missgeschick über Nacht in einem Banktresor eingeschlossen wurde, kann er sich dazu ja seine Gedanken machen. Mühsam kämpft er sich durch Papiere in der
Geheimsprache des Bankenwesens, die mit kryptischen Bandwurmsätzen am laufenden Band nur abzulenken scheint von der simplen Wahrheit, dass die vermeintlich sicheren Anlagen in etwa genauso
ehrlich gemeint sind wie die hilfserheischenden Mails der angeblichen Enkeltochter. All die Prognosen sind doch nur Augenwischerei, sagt von Wagner, errichtet auf dem treudoofen Glauben der
Bevölkerung, dass die Banken schon in ihrem Sinne handeln werden. Und nicht etwa im Sinne der Aktionäre. Die Wahrheit der Gans nennt er das: Die glaubt auch, dass der Mensch es gut mit ihr meint,
weil er ihr jeden Tag ein paar Brosamen hinwirft. Bis dann Weihnachten kommt.
Nur wenige Kabarettisten haben sich derart intensiv mit der Geldwirtschaft beschäftigt wie Claus von Wagner, haben sich als unwissendes Plankton in das Meer der Finanzhaie hineingewagt und die
Geheimnisse jener Parallelwelt verstanden. Und keiner kann sie in derart verständliche Bilder packen. Geschickt erklärt der 42-Jährige, warum Derivate letztlich sowohl für die Flüchtlingskrise
als auch für das Erstarken des rechten Randes verantwortlich sind, wie die Deutsche Bank als Gipfel des Zynismus Geschäfte mit der Lebenserwartung von US-amerikanischen Rentnern gemacht hat und
warum das System zusammenbrechen würde, wenn es für alle Welt verständlich wäre. Insofern ist es überaus bedauerlich, dass Claus von Wagner seine „Theorie des feinen Menschen“ nicht länger auf
der Bühne spielen will. Denn eigentlich gehört es auf den Lehrplan. Für die Schüler. Für die Studenten. Und vor allem für die zukünftigen Bänker, damit diese realisieren, dass ihresgleichen
durchschaut wurden. Und zwar von Plankton.
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