Der Saal des Pantheon ist bis auf den letzten Platz gefüllt. 420 Besucher, viele von ihnen gerade erst erwachsen geworden, wollen sich die Welt erklären lassen und zugleich über sie lachen, wollen sich pro forma aufregen und sich doch eigentlich nur amüsieren. Kein Wunder, dass sie zu Till Reiners streben und ihm zu seinem bisher größten Solo-Auftritt verhelfen: Der 34-Jährige spricht durchaus über ernste Themen wie den Klimawandel oder die Flüchtlingskrise, haut sie aber mit dem Vorschlaghammer der Satire in kommensurable Bröckchen und inszeniert diesen intellektuellen Vandalismus als veritable Comedy mit Tiefgang. „Heute Abend kommen wir ganz ohne differenzierte Aussagen aus“, sagt er. „Dafür stehe ich mit meinem Namen.“ Also hinfort mit der Komplexität, die bringt die Menschen eh nur zum Gähnen. Und genau das ist das Problem.
Tatsächlich sieht Reiners die Langeweile als den größten Feind der Wahrheit an. „Unterhaltung ist die Grundwährung unserer Zeit“, sagt er, und demzufolge sind detaillierte Debatten über den
Klimawandel und seine Folgen in 50 oder 100 Jahren ebenso wertlos wie eine Aufarbeitung des Cum-Ex-Falls. Einen Ansatz, den sich Reiners selbst zu eigen gemacht hat, wie sein an Details armer
Erklärungsversuch des genannten Finanzskandals beweist. Stattdessen bleibt er brav an der Oberfläche, damit ja keiner seiner Gäste die kleinen grauen Zellen anstrengen muss. Wer will das schon?
Aus diesem Grund lesen sich die Menschen schließlich auch keine AGBs durch, bevor sie sie unterschreiben.
Dabei ist Reiners durchaus klar, dass dieses Verhalten der beste Weg zur Idiotie ist. Er erkennt die Stimme der Unvernunft, weiß um ihre Verführungskunst und könnte ihr grundsätzlich durchaus
widerstehen – aber wenn ihr alle zuhören, macht man eben mit. Und so beschließt er, das Bildungsbürgerkind, unter dem lautstarken Jubel seiner Fans voranzustürmen und es bis zum Vollidioten zu
schaffen, der alles besser weiß (dabei parodiert er geschickt Hagen Rether) und sich mit Freude an Facebook-Diskussionen beteiligt, in denen unter dem Banner der Meinungsfreiheit alle Positionen
außer der eigenen mit Hass überflutet werden. Ist zwar doof, wie Reiners offen zugibt. Aber wenigstens nicht langweilig.
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