Sulaiman Masomi: Mein bester Freund, die Mauer

Die Evolution hat Sulaiman Masomi enttäuscht. Da hat sich das Leben Milliarden Jahre lang abgeplagt, um aus Einzellern Amöben und daraus dann Pflanzen, Fische, Pilze und Menschen zu entwickeln, hat die vermeintliche Krone der Schöpfung ausgebildet – und dann wird ausgerechnet eine Orange auf zwei Beinen Präsident der Weltmacht USA, während in Deutschland 12,6 Prozent in einem braunen Haufen ihr Heil suchen. Die Evolution verläuft also doch zyklisch statt linear. Irgendwie traurig. Nur leider kann man daran nichts ändern. Wohl aber an Erwartungen und Wahrnehmungen. Mit denen hat Masomi, seines Zeichens erfolgreicher Dichter und Denker, durchaus seine Erfahrungen gemacht. In der voll besetzten Pantheon-Lounge hat der Poetry Slammer nun sein Solo-Programm „Morgen-Land“ vorgestellt und neben einigen herrlich skurrilen Geschichten auch tiefgehende philosophische Gedankengänge ans Publikum herangetragen.

Im Gegensatz zu manchen anderen Vertretern seiner Zunft ist Masomi nicht ständig auf Pointenjagd, ebenso wenig reiht er eine Absurdität an die nächste, um auch garantiert lautes Gelächter zu ernten. Er will vielmehr, dass sein Publikum nachdenkt. Über Alltagsrassismus, über alternative Wahrheiten, über das unmerkliche Erodieren der Freiheit im Namen der Sicherheit. Natürlich dreht sich dabei vieles um Vorurteile. „Man erwartet ja von mir, dass ich über mein Leben als Ausländer spreche“, sagt Masomi, obwohl er, der mit zwei Jahren von Kabul nach Krefeld kam, wahrscheinlich besser integriert ist als so mancher AfD-Wähler. „Eigentlich bin ich ein sensibler Poet, gefangen im Körper eines Kanaken“, behauptet Masomi. Einer, der als Kind glaubte, seine Eltern hätten ihn in einer Mülltonne in Indien gefunden, und der sich eine Mauer zum Freund wählte, weil die immer da war und sich gut als Fußballpartner eignete. Einer, der sich wundert, dass Kinder überall auf der Welt am liebsten Krieg spielen, aber nie Frieden. Und einer, der das Streben nach eigener Größe zu überwinden sucht. „Denn groß wird klein geschrieben“.

Natürlich kann Masomi auch anders und ist dann mitunter genau so gut. Herrlich vor allem, wie er mit Freunden eine Nazi-Demonstration aufmischt, die mit umgekehrter Psychologie aus der Reserve gelockt werden und am Ende bei der Jagd auf Masomi und Co die Filiale eines Billigmoden-Anbieters zerlegen – dieser Text ist zweifelsfrei einer der besten des Abends. Davon bitte mehr. Und dafür weniger singen. Insbesondere auf seine umgedichtete a-cappella-Version von „Über den Wolken“ sollte Sulaiman Masomi unbedingt verzichten, um nicht als musikalischer Einzeller alles wieder kaputt zu machen, was er sich so meisterhaft aufgebaut hat. Das haben seine brillanten Texte einfach nicht verdient.

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