Jochen Malmsheimer: Vaterfreuden und Dinkelterror

Jetzt ist er da und alles anders: Dieses kleine winzige Wesen, das die Göttergattin da getreu der Anweisungen der Mutter Heberin aus ihrem Leib heraus- und in die Welt hineingepresst hat, dieses Würmchen , dieser Sohn. Es ist schon einige Jahre her, aber Jochen Malmsheimer erinnert sich noch genau. Immerhin war er dabei. Und hat über seine Erfahrungen ein Buch geschrieben. „Halt mal, Schatz“, heißt es, ist inzwischen 18 Jahre alt und damit ebenso volljährig wie der Protagonist des Werks, doch deshalb nicht weniger unterhaltsam. Wieso auch? Geboren wird schließlich immer. Und so ist es nur konsequent, dass der größte Wortschmied des deutschsprachigen Kabaretts die mühselig angeeigneten Erkenntnisse auch im ausverkauften Pantheon noch einmal ausbreitet und mit der ihm eigenen Sprachleidenschaft die Vaterfreuden zumindest aus humoristischer Sicht in einen zwerchfellerschütternden Ohrenschmaus verwandelt.

Natürlich beginnt Malmsheimer am Anfang, wie es für einen treuen Chronisten gehört. Gut, nicht ganz am Anfang, über die Empfängnis schweigt er sich aus, doch mit dem ersten Blick auf seine abgerundete Frau beginnt das Abenteuer, das sich vom Geburtsvorbereitungskurs mit seinen muhenden Männchen über die letztlich doch unvorbereitete Geburt selbst bis hin zu Urlaubsfahrten und Elternabenden im Waldorf-Kindergarten erstreckt. Alltägliches, das erst durch die Beschreibungen des 58-Jährigen gewinnen, durch barock verschwurbelte Formulierungen, absurde Vergleiche und überbordende Fantasie. Nur bei ihm werden staubtrockene Dinkelkekse zu obsidianischen Kies-Oblaten, die auch als Duschmünzen aus der Zeit der Hethiter durchgehen würden. Nur bei ihm endet das geplante Familien-Camping mit einem nach Grönland entlaufenen Kleinkind und einem bärbeißigen Patriarchen unter einer Zeltplane mit Ausmaßen, die nur noch in Saarländern gemessen werden kann. Und nur bei ihm wird die Benamung des neuen Erdenbürgers zu einem kleinen Politikum. Schließlich kann ein Kind zwar fast jeden Namen tragen, sollte es aber nicht müssen. Cheyenne Moon ist einem Wortkünstler von Malmsheimers Format schließlich ebenso zuwider wie Sulpiz. Andererseits kann man von Birkenstock-beschuhten Muttertieren, die am liebsten Vögel zupfen und ihre Wonneproppen nicht etwa rufen, sondern herbeisingen, nichts anderes erwarten.

Dank des Malmsheimerschen Sprachschatzes, der den der gesamten Duden-Redaktion bei weitem übertrifft, wird all das zu einem literarischen Hochgenuss und zugleich zu einem Ragnarök für die Lachmuskeln. Im Pantheon nimmt das Publikum letzteres nur zu gerne in Kauf, um sich über die Vorzüge des Eltertums aufklären zu lassen. Dafür ist Jochen Malmsheimer einfach zu gut.

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