„Draußen vor der Tür“: Das Trauma der Zurückgekehrten

Jeder Krieg schafft nur Verlierer. So wie Beckmann. Der Protagonist von Wolfgang Borcherts aufwühlendem Nachkriegs-Drama „Draußen vor der Tür“, das nun im Kleinen Theater Bad Godesberg gezeigt wird, ist ein Jedermann ohne Perspektive, ohne Zukunft, ohne Plan, ein Vertreter all jener Heimkehrer, die nach dem zweiten Weltkrieg vergeblich versuchten, wieder im Alltag Fuß zu fassen. Zumal es Beckmann schwer erwischt hat: Drei Jahre war er in Gefangenschaft, drei Jahre in Sibirien, während sich in der Heimat die Welt weitergedreht hat, ohne ihn. Jetzt ist er zurück und steht vor den Scherben seiner Existenz. Für ihn gibt es keinen Platz, ihm sind alle Türen verschlossen, ist er doch eine Art Wiedergänger, einer, den alle anderen bereits aufgegeben haben. Seine Frau hat einen neuen Mann gefunden, die Eltern haben sich das Leben genommen, Freunde scheint er nie gehabt zu haben. Und sich etwas aufbauen? Wie denn? Außer Krieg hat er ja nichts gelernt. Und so torkelt Beckmann durch die Trümmer seines Lebens, sucht nach einem Sinn – und findet am Ende doch nur den Tod.

Es ist ein bewegendes Stück, das das Kleine Theater auf die Bühne holt, eines, das heute noch genau so wirkt wie 1947.  „Beckmanns Schrei ist nicht mehr unser Schrei“, hat Christian Ferber schon zehn Jahre nach der Uraufführung konstatiert, und doch rührt das Leiden dieses jungen Mannes, der die Gräuel des Krieges einfach nicht hinter sich lassen kann und dessen Alpträume in dieser oder einer anderen Form durch die Köpfe all jener spuken, die irgendwo auf der Welt in Kriege verstrickt sind. Eine derartige Neudeutung hat Regisseur Stefan Krause allerdings bewusst nicht vorgenommen: Er lässt vielmehr den Text wirken, hat ihn nur an einigen Stellen aufgebohrt, hat Borcherts berühmtes Manifest „Dann gibt es nur eins“ eingefügt und dafür die metaphysischen Aspekte gestrichen. Der Tod tritt nicht auf, ebenso wenig wie Gott. Wozu auch? Ersterer ist ohnehin allgegenwärtig, und letzterer hält seine Tür ebenso zu wie die anderen Figuren, auf die Beckmann auf der Suche nach Frieden trifft. Der Oberst, dem Beckmann die Verantwortung über die unter seinem Kommando gefallenen Soldaten übertragen will, lacht ihn nur aus, der Theaterdirektor will mit er Wahrheit nichts zu tun haben, und Frau Kramer, die inzwischen im Haus seiner Eltern lebt, verschließt ihr Herz. Nur eine junge Frau öffnet sich dem verzweifelten Veteranen, will mit ihm die Leere füllen, die ihr ebenfalls in Stalingrad gebliebener Mann hinterlässt – und genau aus diesem Grund kann Beckmann nicht bei ihr bleiben, obwohl er sie doch so sehr braucht. Der Geist seiner eigenen Vergangenheit lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Das verspricht er sich nur vom Tod.

Für die Inszenierung greift das Kleine Theater auf ein starkes Ensemble zurück. Vor allem Janosch Roloff mimt den Beckmann mit einer beeindruckenden Intensität, zynisch und verbittert an seinem Umfeld und an den Mitmenschen verzweifelnd. Er trägt das Stück auch dann, wenn er sich mit dem ständig positiv denkenden Anderen (Mike Reichenbach) herumschlagen muss; besonders brilliert er allerdings im Zusammenspiel mit Richard Hucke, der den Oberst mit feiner Blasiertheit spielt. Die charmante Leonie Houber als das Mädchen, Frank Baumstark als süffisant-arroganter Theaterdirektor, Jutta Dolle als burschikose Frrau Kramer und Yannick Hehlgans als stelzenlaufender Einbeiniger komplettieren die Schauspieler-Riege des zweistündigen Stückes, das man sich wahrlich nicht entgehen lassen sollte.

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