Die Menschheit ist am Abgrund. Mal wieder. Scheitert an sich selber und an all den Konzepten, die sie sich mühsam überstülpt und mit denen kein anderes Lebewesen etwas zu tun haben will. Krieg zum Beispiel. Braucht kein Schwein. Aber die Menschen. Die Konsequenz ist, dass man sie eines Besseren belehren muss, und zwar durch einen Weisen, der Buddha zumindest intellektuell locker in den Schatten stellen kann: Die Echse. Sie, die schon beim Urknall da war, die die Erde von einer Scheibe zu einer Kugel verformt hat (sehr zur Freude eines urzeitlichen Bowling-Teams) und die mit allen Göttern per du ist, will nun Seelenrettung betreiben und als Echsoterik-Oberguru ihre Gefolgschaft auf eine höhere Bewusstseinsebene bringen. Im Haus der Springmaus hat sie nun gemeinsam mit ihrem treuen Schatten Michael Hatzius ihre Botschaften verbreitet – und dabei alles getan, um so richtig abzusahnen.
In gewisser Weise ist die Zuwendung zum Spiritualismus für die Echse der logische nächste Schritt: Schon immer war das alte Reptil eine Gestalt, die nur zu gerne mit vermeintlichen Weisheiten um sich warf, und so ist es konsequent, dass Puppenspieler Hatzius seine populärste Figur nun zum Propheten weiterentwickelt, zum Heilsbringer mit Helmut-Schmidt-Gestus und Raubein-Charme, der sich alles erlauben kann. Selbst Scheinheiligkeit. Denn während die Echse den Menschen Orientierung geben will, trägt sie doch unverkennbare sexistische und rassistische Züge, beutet Mitarbeiter wie das arme Huhn gnadenlos aus und prahlt sogar noch mit ihrer Herzlosigkeit. Nein, ein Sympathieträger ist sie nicht. Eher ein Drachen. Und dennoch lässt sich das Publikum in der Springmaus nicht abschrecken, sondern sucht bewusst den Kontakt mit dem Schuppentier. Auch wenn dieses leider nicht allzu viel damit anzufangen versteht. Die wachsende Interaktivität der Show ist gleichzeitig ihr größtes Manko, mündet sie doch in eher peinlichen Dialogen und albernen Spielchen. Dazwischen gibt es, passend zum Thema des Programms und doch zugleich in ihrem Umfang irritierend, einen Werbeblock nach dem nächsten, in denen mal Echsen-Quietscheentchen und mal ein dazu passendes Tarot angepriesen werden. Gibt es alles draußen am Merchandise-Stand, so dass der Kabarett-Abend zumindest teilweise zur komödiantischen Verkaufsshow mutiert. Was irgendwie schade ist, zumal eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Bedürfnis nach Spiritualität ebenso wenig stattfindet wie der Versuch, die reptilische Scharlatanerie endgültig ad absurdum zu führen.
So sehr die Echse auch schwächelt, die in früheren Programmen weitaus bissiger und frecher wirkte, steht doch das Talent von Michael Hatzius als Puppenspieler außer Frage. Meisterhaft gelingt es ihm einmal mehr, mitten im Rampenlicht zu stehen und doch in den Schatten zu verschwinden, während alle Augen auf seine Figuren gerichtet sind. Dies gelingt ihm nicht nur mit der Echse, sondern auch mit dem bedauernswerten Huhn, dessen Schüchternheit und Gutmütigkeit das Herz rührt, oder mit der Zecke, die eine faszinierende emotionale Bandbreite aufweist und der Hatzius eine Mimik und Gestik verleiht, die ihresgleichen sucht. Fantastisch. So sehr Hatzius also etwas anderes sein möchte, sich als Clown versucht oder als Zauberer, kann man doch nur froh sein, dass er sich fürs Puppenspiel entschieden hat. Bleibt nur zu hoffen, dass die Echse sich auch irgendwann eines Besseren besinnt und den Job als Guru aufgibt. Dafür hat sie zwar das Ego – aber eben nicht die Erleuchtung.
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