17 Hippies: Für alles offen

Die Bühne ist voll, noch bevor die Band sie betreten hat. Banjo, Saxofon, Posaune, Tuba, Trompete, Ukulele, Bouzouki, Geige, Waschbrett, Akkordeon, singende Säge, all das und noch einige weitere Instrumente warten auf die 17 Hippies, die in der ausverkauften Harmonie ihr aktuelles Album „Kirschenzeit“ vorstellen wollen und dabei wie gewohnt so ziemlich alles miteinander vermischen, was die europäische Musik im weitesten Sinne geprägt hat. Grenzen gibt es dabei nicht: Wenn die Berliner Band loslegt, verbinden sich Klezmer und Polka, Tango und Bluegrass, französischer Chanson und Techno und Ska und deutsches Liedermachertum zu einer einzigartigen Melange, die die 17 Hippies seit 23 Jahren auszeichnet und die immer noch hervorragend ankommt, auch wenn die Protagonisten mittlerweile ein wenig ruhiger geworden sind. Gereifter. Aber nicht weniger leidenschaftlich.

Ohnehin sind die 17 Hippies musikalisch so souverän wie eh und je. Von der ersten Sekunde an zieht das 13-köpfige Orchester (ja, die Zahlen passen nicht, aber es sind eben Musiker, keine Mathematiker) das Publikum in seinen Bann, während im Hintergrund drei Windräder den permanenten Wechsel symbolisieren, der essentieller Bestandteil des sich immer verändernden und doch organisch wachsenden Sounds ist. Nichts klingt verkopft oder bemüht, selbst wenn sich die Band der Frank-Zappa-Nummer „Peaches En Regalia“ annimmt und sie so entspannt und unaufgeregt gestaltet, dass es ein Genuss ist. Immer wieder sorgen neue Ansätze für Überraschungen, neue Instrumente, neue Stimmen, neue Akzente, mit denen Melodie ein ums andere Mal wieder aufgeschichtet wird. Damit haben die Hippies schon seit ihrer Gründung zu begeistern gewusst; einige ihrer stärksten Kompositionen fußen auf diesem Prinzip, so wie das hypnotische Instrumental-Stück „Jovano Jovanke.“ In anderen Momenten ist die Band gradliniger, ohne dadurch gewöhnlicher oder vorhersagbarer zu sein. Ganz im Gegenteil: Bei „Uz“ vermischen sich südhessischer Rap mit Hackbrett-Intro, Hillbilly-Banjospiel und orientalischen Melodiebögen, bei Kurt Weills „The Song of Mandelay“ geht zwischen jiddischen Rhythmen und wiegender Polka ohnehin die Post ab, und bei dem ausgelassenen „Bourrée dite d’Aurore Sand“ kann wirklich niemand mehr die Beine stillhalten. Neue Stücke wie die Single-Auskopplung „Gold“, die melancholische Ballade „Wach vor Liebe“ oder das charmante „Pierre & Blanche“ fügen sich mühelos in diese wilde Mischung ein und bringen doch eine gewisse Entspannung mit, die dankbar angenommen wird. Vor allem von der Band.

Die besteht schließlich nicht mehr aus Jungspunden, ist grau geworden und weiß, erweist sich allerdings weiterhin als überaus virtuos. Vor allem Klarinettist Henry Notroff sorgt mit starken Soli ein ums andere Mal für Jubel, doch auch Akkordeonist Volker Rettmann, Posaunist Uwe Langer und natürlich Frontfrau Kiki Sauer werden vom Publikum ausgiebig gefeiert. Und die anderen Bandmitglieder? Brillieren ebenfalls, stehen allerdings nur selten im Rampenlicht, dafür stets im Dienst der Musik. Der Zusammenhalt ist bemerkenswert, so dass Christopher Blenkinsop nur an einigen wenigen Stellen eine Art Dirigat übernimmt und den Klangkörper an- oder abschwellen lässt, während sich die 17 Hippies geschickt zu einer neuen Tonart bewegen. Klasse. Dieses perfekte Zusammenspiel ist die wahre Kunst, ist Weltmusik auf höchstem Niveau, ist Kirschenzeit in bester Manier, reif, rot und köstlich. Bitte mehr davon.

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