Crossroads: Riot Girls und Rock-Hypnose

Drei aufstrebende Schwestern mit jeder Menge Feuer treffen auf vier hypnotische Stoner-Rock-Veteranen: Das Crossroads-Festival des WDR Rockpalasts, das zweimal im Jahr in der Harmonie aufregende und abwechslungsreiche Bands präsentiert, hat zum Auftakt der aktuellen Ausgabe zwei Formationen auf die Bühne geholt, die es auf ganz unterschiedliche Weise krachen lassen, die einen auf den Punkt, die anderen mit viel Liebe zum Detail. Beides hat seine Berechtigung. Und beides gewisse Schwächen.

Mit angezogener Handbremse ist auf jeden Fall niemand an diesem Abend auf die Bühne gegangen, schon gar nicht Velvet Volume. Das dänische Frauen-Trio, das im Februar vom „Rolling Stone“-Magazin zu einer der besten neuen Bands aus dem Jahr 2018 gekürt wurde, wirkt mit der Blümchen-Verzierung rund um Schlagzeug und Mikrofon-Ständer nur auf den allerersten Blick nett und unschuldig – sobald Noa, Naomi und Nataja aber loslegen, erweisen sie sich als freche, unkonventionelle Riot Girls mit einem ordentlichen Schuss Punk im Blut. Insbesondere Gitarristin und Sängerin Noa könnte mit ihrer kantigen Stimme und ihrem androgynen Look das uneheliche Kind von Annie Lennox und David Bowie sein, oder eine wiedergeborene Nina Hagen. Die drei jungen Däninnen (sie alle sind gerade mal Anfang 20) nennen aber viel lieber Siouxsie and the Banshees als musikalische Vorbilder. Passt auch. Dazu kommt noch eine Prise Garagerock, eine teilweise lästige Vorliebe für eine Art Stop-and-Go-Spiel und vor allem jede Menge Spaß auf der Bühne. Velvet Volume wissen ganz genau, was sie da abliefern, sind ein perfekt aufeinander eingespieltes Team und lassen sich auch durch eine gerissene Gitarrensaite nicht aus der Ruhe bringen. Die Musik des Trios ist allerdings vor allem am Anfang etwas zu vorhersehbar und in ihrer scheppernden Lautstärke zu monoton. Da ist noch Luft nach oben, und vor allem mit den letzten Songs zeigen Velvet Volume auch, dass ihnen dies durchaus bewusst ist. „Pretty In Black“ oder auch „I Think I Need You“ kommen weitaus vielschichtiger rüber. Davon bitte mehr.

Auf die jungen Mädels folgen die erfahrenen Jungs. Colour Haze feiern dieser Tage immerhin ihr 25. Bandjubiläum, und auch wenn von der ursprünglichen Besetzung nur noch Gitarrist Stefan Koglek übrig ist, hört man von der ersten Sekunde an, dass die Münchener ein ausgezeichnetes Händchen für komplexe Strukturen haben. Die einzelnen Songs wabern in bester Psychedelic-Rock-Manier minutenlang durch den Raum, gehen ineinander über und bilden ihren eigenen Klangkosmos, den Koglek, Keyboarder Jan Faszbender und Bassist Philipp Rasthofer immer weiter erkunden, während der herausragende Drummer Manfred Merwald den pulsierenden Herzschlag vorgibt. Mitunter dreht sich die Band allerdings ein wenig zu lange um sich selbst – und während Velvet Volume zu viele Brüche setzen, kommen diese bei Colour Haze zu kurz. Andererseits versteht die Band es meisterhaft, immer wieder irgendwo einen Ausweg zu finden und sich in ihrer grenzenlosen Freiheit nie völlig zu verlieren. Das Publikum, das sich von den schier endlosen Wanderungen durch die Untiefen des Colour-Haze-Universums nicht abschrecken lässt, feiert das Quartett denn auch ausgelassen.


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