„Kawumm“: Zwischen Staunen und Schämen

Für herausragende Akrobatik haben die GOP-Varieté-Theater in der Regel ein ausgeprägtes Gespür. Für gute Comedy dagegen nicht. Immer wieder geben plumpe Pointen und peinlich inszenierte Nummern den Shows von Deutschlands größtem Kleinkunst-Unternehmen einen unnötigen Touch von Trash, mischen billige Zoten und verkrampfte Anzüglichkeiten mit artistischen Höchstleistungen. In Bonn hat dies erst zuletzt auf dem KunstRasen für Unmut gesorgt, als Moderator Roberto Capitoni mit niveaulosen Sprüchen und Beleidigungen für einen Eklat sorgte. Nun hat die Show „Kawumm“ von Top-Regisseur Markus Pabst in der Bundesstadt Premiere gefeiert – und ebenfalls eher auf alberne Bilder als auf große Kunst gesetzt.

Dabei wollte Pabst sich eigentlich selbst ein Denkmal setzen, indem er „Kawumm“ um seine eigene mächtige Gestalt herum aufgebaut und mit seinen Kindheitserinnerungen gespeist hat. Peter Pan macht daher seine Aufwartung, ebenso wie Pinocchio, ein Riesen-Teddy und sogar Barbie, gespielt von Artisten in eher skurril anmutenden Kostümen irgendwo zwischen Rave und Porno-Dreh. Gut, kann man so machen. Nur läuft diese Szene, so wie alle späteren auch, letztlich ins Leere, bleibt Fragment und wird damit nicht mit Substanz unterfüttert. Zwar turnt der halbnackte Pan noch ein bisschen auf einem übergroßen Schaukelpferd, mehr gebiert diese Phantasmagorie allerdings nicht. Stattdessen folgen weitere Gedankenschnipsel, ein wilder Mix aus Travestie und billigem Klamauk, letzterer vor allem aus der Feder der Collin Brothers. Ihr gnadenlos scheiternder Versuch, den Zaubertrick mit der zersägten Jungfrau zu kopieren, erweist sich als Lehrstück für missglückte Clownerie – im Circus Roncalli war in diesem Jahr eine ähnliche Nummer dank eines Duos mit meisterhafter Körpersprache und perfektem Timing dagegen einer der Höhepunkte. Doch während der dumme August in der Manege einfach nur herrlich schräg war, ist der blöde Helmut im GOP lediglich peinlich.

Am anderen Ende des Spektrums lauert übrigens mit Jack Woodhead ein schriller Paradiesvogel in Lack und Leder, der selbst dann eine gewisse Contenance bewahrt, als er sich zusammen mit einigen anderen männlichen Ensemble-Mitglieder in einer vermeintlich lüsternen Szene entblättern muss oder im späteren Verlauf auf dem nackten Bauch von Markus Pabst Schlagzeug spielen soll. Traurig, dass der 31-Jährige so tief sinken muss. Dabei ist letztlich er es, der „Kawumm“ maßgeblich vor dem endgültigen Scheitern bewahrt, er mit seinen Gesangsdarbietungen und seinem explosiven Klavierspiel. Ohnehin gehört die Musik zu den wenigen Stärken der Show: Nur selten greifen die Macher auf Playback zurück, die meisten Songs werden live eingespielt, inklusive eines „Nessun Dorma“ durch den Chinesen Ye Fei. Klasse. Und auch artistisch wird es im späteren Verlauf des Abends besser. Donial Kalex, der zunächst mit seinen LED-Stäben eine zwar effektvolle, technisch aber überschaubare Nummer präsentiert, erweist sich später als exzellenter Jongleur; Alessandro Di Sazio überzeugt mit einer dynamischen Einlage am Chinesischen Mast; und Mona Tesch und Laura Borkowski setzen am Vertikaltuch eindrucksvoll Akzente. Dass inzwischen die Fantasiewelten aus dem Kopf von Markus Pabst endgültig Makulatur sind, stört da überhaupt nicht. Immerhin sind dem Regisseur zwei Dinge zu Gute zu halten: Zum einen hält er (in päpstlichem Ornat) ein überaus bewegendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit, zum anderen probiert er immerhin einiges von dem aus, was er den Akrobaten abverlangt. Pabst jongliert, dient als Basis für Handstand-Artistik und hängt sich am Ende gar kopfüber an ein Seil. Dafür gebührt ihm Respekt. Und für den unterirdischen Humor gebührt ihm die Quittung.

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