Walk off the Earth: Musik ohne Wow-Effekt

Distanz ist für Walk off the Earth tödlich. Die kanadische Gute-Laune-Band, die mit kreativen Cover-Versionen und spritzigen Eigenkompositionen in den vergangenen Jahren zu einem der größten Youtube-Phänomene in der Indie-Rock-Welt geworden ist, braucht die Nähe zum Publikum, braucht die Direktheit und Unmittelbarkeit, die sie in ihren Videos pflegen und die auch kleinste Spielereien und Klangexperimente in den Fokus rücken. Fünf Musiker an einer Gitarre so wie bei ihrer legendären Cover-Version von Gotyes „Somebody that I used to Know“ (derzeit mehr als 185 Millionen Zugriffe) sind ohne Zweifel ein Blickfang, aber nur wenn sie im Vollformat auf dem Bildschirm über die Saiten tanzen.

Es sind schließlich diese kreativen Verrücktheiten, die das Markenzeichen des Kollektivs sind, die aber leider am vergangenen Dienstag auf der riesigen Bühne des KunstRasens verloren gingen. Schade – und doch nur ein kleiner Wermutstropfen angesichts eines vor allem anfangs desaströsen Sounds im Front-of-Stage-Bereich, der mit übersteuerten Bässen und hämmerndem Schlagzeug viele der etwa 2000 Besucher enttäuschte und verärgerte.

 

Dabei wollten Walk off the Earth eigentlich in erster Linie Freude verbreiten, wollten im Sonnenschein eine wilde Party mit dem Publikum feiern, auch nach dem unerwarteten Tod von Mike „Beard Guy“ Taylor, der zu einer Art stoisch blickendem Maskottchen der Band geworden war und Ende Dezember verstarb. Ein schwerer Schicksalsschlag, auf den Frontfrau Sarah Blackwood mehrfach Bezug nahm, etwa bei dessen Lieblings-Cover „Bohemian Rhapsody“, das weitgehend als Video-Einspielung präsentiert wurde. Als Requiem sollte dies aber nicht verstanden werden. Und so bemühten sich Walk off the Earth, gute Laune auszustrahlen und die Menge mit ihrer Show zu unterhalten. Ein Versuch, den die Tontechnik trotz eigentlich guter Anlage im Keim erstickte. Die Musik aus den Boxen ließ nahezu jegliche Dynamik vermissen, brachte keine akustischen Überraschungen und erst recht nicht jenen Wow-Effekt, den die Band normalerweise durch den Einsatz von Heulschläuchen, Bushwhackern oder Gabeln erzeugt. Bassist und Mastermind Gianni Nicassio und seine Kollegen konnten sich noch so sehr verausgaben, konnten auf der Bühne zaubern und ein Instrument nach dem nächsten einbeziehen, der Ton sprang einfach nicht über. Und der Funke auch nicht.

Immerhin, nach und nach besserte sich die Abmischung, vollends befriedigend wurde es aber während des gerade einmal 90-minütigen Auftritts (inklusive Zugaben) nicht. Walk off the Earth schienen selbst zunehmend konsterniert, konnten sie doch so kaum Kontakt zur Menge herstellen, die zwar auf Kommando nur zu gerne mitsang und im Takt klatschte, danach aber wieder auf Distanz ging. Dazu mochte auch beitragen, dass ein Großteil der Cover-Songs, für die die Kanadier nun einmal berühmt sind, lediglich in geschickt komponierten, aber doch recht überschaubaren Medleys auftauchten – die erfrischenden eigenen Titel wie „Corner of Queen“ oder „Gang of Rhythm“ konnten dies nur zum Teil kompensieren. Konzeptionelle und technische Schwächen sorgten so letztlich dafür, dass der Auftritt einer der kreativsten Indie-Formationen der Gegenwart längst nicht jenes Niveau erreichte, das die Band, der Veranstalter und auch das Publikum verdient hätten. Da wäre mehr möglich gewesen. Mit besserem Ton. Und weniger Abstand.

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