Tobias Mann: Das Wespen-Prinzip

Irgendwas nervt immer. Oder irgendwer. Annegret Kramp-Karrenbauer zum Beispiel, die mit ihren Äußerungen derzeit Angela Merkel wie ein heiliges Universalgenie erscheinen lässt. Oder der Hambacher Horst, also Herr Seehofer, der intellektuellen Raubbau an sich selbst betreibt. Oder die wandelnden Leichen von der SPD. Oder die Wespen. Ja, vor allem die Wespen. Diese nervigen, permanent aggressiven Aasfresser, kurzum die AfDler unter den Insekten. Die würde man ja am liebsten ausmerzen. Darf man aber nicht, warnt Kabarettist Tobias Mann. Und versucht in seinem neuen Programm „Chaos“ stattdessen, die Hintergründe der Wespen und all der anderen Plagegeister zu verstehen und dadurch seinen inneren Frieden zu finden. Was im Bonner Pantheon mal mehr, mal weniger gut gelingt.

Im Großen und Ganzen geht Tobias Mann vor wie immer: Wie ein wildgewordener Flummi hüpft der 42-Jährige über die Bühne und zugleich von einem Thema zum anderen, verquirlt humanistische Ideale mit satirisch-karrikaturistischen Politiker-Darstellungen, ein paar Ikea-Sprüchen und der ein oder anderen eher platten Pointe. „Ich muss manchmal Wortspiele machen, sonst verliere ich meinen Humor“, sagt Mann entschuldigend. Und außerdem: „Die Wirklichkeit ist noch viel platter.“ Wenn schon die Politiker zu Zerrbildern ihrer selbst werden und die Renaissance der vermeintlich starken Männer eher an eine Parade von intellektuellen Hänflingen in Bodybuilder-Bodysuits erinnert, kann ein Kabarettist nicht mehr viel machen. Außer den Spiegel hinhalten. Und als erster lachen. Eine Aufgabe, die Tobias Mann durchaus zu bewältigen versteht. Doch eigentlich will er ja mehr. Er will das Wespen-Prinzip durchdringen, will Erklärungen für das Unerklärliche. Und findet nichts. Oder zumindest nichts, was er präsentieren kann. Kein roter Faden, kein großes Ganzes. Nur Chaos. Und das steht dem Programm trotz des Titels nicht immer so gut.

Zugegeben, Tobias Mann war schon immer ein hektischer Vertreter seiner Zunft, ein neugieriger ADHS-Kabarettist mit klaren Positionen, aber ohne große rhetorische Bögen. So auch in Bonn. Alles schneidet er an, die USA unter Trump ebenso wie Bayern unter Markus Söder, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur geplanten PKW-Maut oder auch die Ehe für alle. Auf eine differenzierte Betrachtung verzichtet er aber, so dass sich die Kommentare kaum vom Kleinkunstbühnen-Mainstream abheben, nichts Neues bringen und erst recht keine Erkenntnisse. Das Kabarett des Mainzers bleibt dann doch in weiten Teilen Unterhaltung statt Aufklärung. Immerhin: Das funktioniert dafür gut. Vor allem wenn Tobias Mann zur Gitarre greift und einfache Melodien unter geschickt gedichtete Verse legt, ist ihm der Beifall des Publikums sicher. Vor allem seine Ballade über den Wutbürger Hilmar ist wirklich hörenswert, ein kleines, aber feines Porträt eines verbitterten Mannes, der exemplarisch für all den Zorn jener steht, die nicht mehr mitkommen mit der sich ständig verändernden Welt und die sich daher an das Bekannte, Althergebrachte klammern. Und zumindest da greift, für einen kurzen Moment, das Wespen-Prinzip.

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