Jazzfest 2019: Nicht ganz der Vater

Optisch kommt Kyle Eastwood durchaus nach seinem Vater. Künstlerisch dagegen eher nicht. Der versierte Bassist, der jetzt im Rahmen des Jazzfests Bonn im Post Tower zu Gast war, ruht in sich, ist ein Teamplayer und ein Charmebolzen, kurzum das genaue Gegenteil zu den wortkargen Raubeinen wie Dirty Harry oder Revolvermann Joe, die seinen Vater Clint in dessen frühen Jahren berühmt gemacht haben. Die schier unerschöpfliche Energie für kreative Höchstleistungen, die besitzen allerdings beide. Und die Liebe zum Jazz. Dabei hat Eastwood Junior längst seinen eigenen Weg beschritten, der über Hard Bop und Jazzrock bis hin zu orientalisch anmutendem Welt-Jazz führt. Und alles klingt gut. Bei dem Jazzfest-Konzert gaben der 51-Jährige und sein Quintett auf jede Fall von der ersten Sekunde an Vollgas und sorgten mit knackigem, markantem Spiel für Begeisterung.

Große Experimente machte Eastwood nicht: Alle Arrangements und sämtliche Soli blieben eng an der Melodie, stringent und konsequent. Musik fürs Kopfkino, die Bilder erwecken und Geschichten erzählen will – kein Wunder, hat Eastwood doch in der Vergangenheit auch zu einigen Filmen Kompositionen beigesteuert. In Bonn bediente er sich allerdings bei den ganz Großen, bei John Williams und bei Ennio Morricone. Schön, auch wenn die eigenen Werke noch etwas souveräner klangen. Vor allem „Marrakech“ erwies sich als Hochgenuss, mit gestrichenem Bass, kleinen Arabesken und einer exzellenten Führung von Saxofonist Brandon Allen. Der war zusammen mit Trompeter Quentin Collins ohnehin eine Klasse für sich und setzte immer wieder brillante Akzente, unter anderem beim „Boogie Stop Shuffle“ von Charles Mingus, den Eastwood zunächst kraftvoll im Ausdruck und zurückhaltend im Tempo eröffnete, bevor der Rest der Band das Stück in einen akustischen Wirbelwind verwandelte. Die abschließende Jazz-Fassung von Adeles James-Bond-Titelsong „Skyfall“ setzte dem Konzert schließlich das Sahnehäubchen auf.

Den zweiten Teil des Abends bestritt eine Formation, die so noch nie zuvor aufgetreten war: Die Formation Web Web um den Pianisten Roberto Di Gioia und den Saxofonisten Tony Lakatos spielte erstmals live mit Soul-Sängerin Joy Denalane. Eine überaus reizvolle Kombination. Aber auch eine, die durchaus mit Spannungen belastet war. Vor allem Lakatos versuchte in seinen Soli immer wieder, die Stücke mehr in Richtung des Modern Jazz zu rücken, brach harmonische und rhythmische Strukturen auf und schien damit die Power-Frau an seiner Seite immer wieder zu irritieren. Diese hatte einen Großteil der Songs selbst geschrieben, natürlich in ihrem gewohnten Stil, mit allerlei Liebes-Themen und melodisch mitunter seichten R&B-Phrasen, die wiederum Web Web einzujazzen versuchten. Während Di Gioia, Drummer Peter Gall und Bassist Christian von Kaphengst dies allerdings dezent taten und im Großen und Ganzen Joy Denalane stützten, hielt Lakatos sich eben nicht immer zurück. Und die Blicke der Sängerin zu seiner Rechten sprachen mitunter Bände. Dabei konnten die beiden durchaus auch miteinander harmonieren und von einander profitieren, zumal Denalane mit ihrem phantastischen, dunklen Timbre eine hervorragende Reibungsfläche für das aufmüpfige Saxofon von Lakatos darstellte. In diesen Momenten machte es schlichtweg Spaß, Web Web und ihrem Special Guest zuzuhören. Davon bitte mehr. Irritationen gibt es derzeit schließlich schon genug.


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