„Bang Bang“: Bilder zwischen Chaos und Zärtlichkeit

Das Leben eines Fotografen besteht aus Momentaufnahmen. Blitz. Ein paar Mädels am Strand. Blitz. Ein Tennis-Ass. Blitz. Ein eitler Geck. Blitz. Blitz. Blitz. Doch letztlich nimmt der arme Paparazzo nicht teil am Geschehen, steht immer außerhalb, ist eine Randfigur, ein Chronist im Dienste der anderen, die sich selbst ins rechte Licht setzen wollen und dabei der Ästhetik des Absurden ebenso frönen wie der des Schönen. Blitz Blitz vom „Bang Bang“. Unter diesem Titel hat das Bonner Varietétheater GOP nun eine neue Show auf die Bühne gebracht, die schräg ist und zugleich gefühlvoll, grotesk und romantisch, voller Clowns und Traumtänzer – und eben jenem einem melancholischen Fotografen auf der Suche nach ein bisschen Glück.

„Bang Bang“ beruht auf dem Wunsch der Trapez- und Cyr-Artistin Anna Ward, einmal zusammen mit einigen langjährigen Freunden ein Programm zu gestalten. Als Regisseur konnte sie Anthony Venisse gewinnen, der immerhin schon „Plüfoli“ verantwortet hat, mit der das Bonner Haus vor nunmehr anderthalb Jahren eröffnet worden ist und die immer noch in vielen Bereichen als Maßstab für eine herausragende GOP-Show gilt. Und der hat auch diesmal wieder sein Händchen für schräge Bilder bewiesen, die mit einem losen roten Faden zusammengebunden sind, wie ein handgemachtes Fotoalbum voller Schnappschüsse, die auch ohne Worte fantastische Geschichten erzählen können. Immerhin ist das Personal vorhanden: ein Haufen irrer Hühner, ein Nerd, ein sanfter Hüne und ein Paradiesvogel sind nur einige der Figuren, die „Bang Bang“ zu etwas Besonderem machen. Bei der Bildsprache haben sich Venisse und das Ensemble dabei vor allem in den 50er Jahren bedient, während die Musik eher den 70ern entnommen wurde. Immer wieder schmettern die Artisten Chansons und Schlager jener Zeit oder tun zumindest so – Vollplayback sei Dank. Das sorgt gerne mal für ungewöhnliche Eindrücke, etwa wenn der extravagante Simon-James Reynolds in seinem Boy-George-Outfit die Lippen zu Nina Hagens „Ich hab den Farbfilm vergessen“ bewegt oder eine der Damen unerwartet tief klingt. Verblüffende Kontraste, die aber zur Show passen.

Erfreulich ist auch, dass die Artisten immer wieder neue Impulse setzen, kreative Ideen in ihre Darbietungen einbringen und somit frischen Wind in ihre Kunst. Herrlich etwa, wie Anna Ward am Trapez die Sicherheitshinweise einer Stewardess umsetzt, oder wie Jade Morin statt an einer fest montierten Stange an einem beweglichen Kleiderständer turnt. Auch Reynolds biegt sich in seinem Solo nicht etwa um eine statische, sondern vielmehr um eine schwingende Pole-Stange. Und Diabolo-Virtuose Stefan Bauer lässt mit seiner atemberaubend schnellen Kunst nicht nur dem armen Fotografen schwindelig werden. Den verkörpert übrigens der Spanier Xevi Casals mit einer bemerkenswert nonchalanten Tollpatschigkeit und einer Traurigkeit, die zutiefst berührt. Er ist die Leitfigur von „Bang Bang“, sein Bemühen dazuzugehören die Triebfeder, seine unerwiderte Liebe zu Jade Morin die bewegendste Komponente. Sein clownesker Gegenpart ist derweil Philippe Thibaudeau, dessen selbstverliebte Alter Egos eher über ihre Lächerlichkeit als über ihre Liebenswürdigkeit funktionieren. Er und seine Partnerin Rebecca Triebe mögen zwar die Flyer des GOP krönen, doch die Herzen des Publikums gehören nicht ihnen und ihrem geschickt inszenierten Klamauk. Sondern dem armen Fotografen. Und alleine seinetwegen lohnt es sich, zu „Bang Bang“ zu gehen, einer Show, die zu den besten gehört, die bislang im Bonner GOP zu sehen waren und die alles bietet, was man sich wünschen kann: etwas fürs Herz, etwas für die Seele, etwas fürs Zwerchfell und ganz ganz viel zum Staunen.

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