Olli Schulz: Ein bisschen Hurz muss sein

In seiner Karriere als Entertainer hat Olli Schulz schon so einiges mitmachen müssen, bei Jan Böhmermann ebenso wie bei Circus Halligalli. Das scheint Spuren hinterlassen zu haben. Nur so lässt sich auf jeden Fall das Video erklären, dass TV-Koch Tim Mälzer und viele andere Besucher der Bonner Oper jetzt hochgeladen haben: Da springt Schulz wild umher, keift irgendetwas vom kleinen Mann, gackert und jault, während hinter ihm ein halbnackter Pianist ein völlig verstimmtes Instrument malträtiert. Angesichts dieser Peinlichkeit sind die Buh-Rufe aus dem Publikum nicht weiter überraschend. Am Tag danach stürzen sich die ersten Medien denn auch mit Wonne auf diese Szene, nehmen ungefiltert und unkritisch das avantgardistische Debakel – und spielen Olli Schulz damit nur in die Hände. Denn natürlich verbirgt sich hinter der vermeintlichen Eskapade des 45-Jährigen mehr, als man auf den ersten Blick vermutet. Doch das erfährt man nur, wenn man live vor Ort ist. Und mal zuhört.

Für Schulz dürfte die Aufmerksamkeit, die er durch diese von ihm orchestrierten Videos in den sozialen Netzwerken erhält, nahezu unbezahlbar sein. Nach mehreren Jahren ist er erstmals wieder als Solo-Musiker unterwegs, ohne Band, ohne Sidekick und ohne Hund Marie. In Bonn feierte er seinen Tour-Auftakt – und der war, unabhängig von dem inszenierten Ausflug in den Wahnsinn, durchaus ein Erfolg. Immerhin kann der 45-Jährige herrliche Geschichten erzählen, alte und neue Anekdoten aus seinem Leben, die einen mindestens ebenso großen Anteil am Programm haben wie die feinen Lieder. Liebevoll gedenkt er seiner Oma, die montags bei „Wer wird Millionär“ immer extra Lippenstift für Günther Jauch auflegt, erinnert sich an eine Beziehung mit einer Bonnerin, die hässlich endete, und an ein paar unangenehme Momente im Show-Geschäft. Eine Schlägerei bei einem Charity-Konzert etwa, als er und Bela B mit drei Betrunkenen aneinander gerieten und Olli als erster zulangte. Oder die Beleidigungen der Rapper-Gruppe K.I.Z., die einfach nicht verstanden, dass Olli Schulz und Jan Böhmermann zwei verschiedene Personen sind.

So absurd diese Episoden auch sind, von denen Olli Schulz steif und fest behauptet, dass sie der Wahrheit entsprechen, so charmant abgehoben sind seine Songs. Sie sind das eigentliche Kommunikationsmittel für einen, der sich nach eigenen Worten immer verloren gefühlt hat in dieser Welt, bis er die Musik für sich entdeckt hat. So jemand treibt mit ihr kein Schindluder. Vielmehr hegt und pflegt er sie, selbst wenn das bedeutet, dass er mal genau jene Metapher vom Lebensweg aufgreift, die er kurz zuvor bei Max Herre kritisiert hat. Egal. Ist doch schön. Und irgendwie passend. Viele Fans sind genau deswegen gekommen, freuen sich auf die possierliche Liebesgeschichte zwischen junger Frau und Reifenmann, auf „Unten mit dem King“ oder auf den emotionalen Titel „Bessere Version“. Dazu kommen ein paar satirische Nummern, die über den „Rumänen“ zum Beispiel, die Olli Schulz in Erlangen auf Wunsch einer offenbar besoffenen Frau improvisiert hat, oder das verarbeitete Trauma eines Sauna-Besuchs am Seniorentag. So klingt also Olli Schulz, wenn er kein Entertainer ist, sondern einfach nur Musiker. Dann verliert er auch den hamburgischen Akzent, ist ganz bei sich und berührt auf diese Weise ganz ohne Quatsch. Gut, zwei neue Stücke klappen noch nicht so ganz, doch das ärgert Olli Schulz mehr als das Publikum. Die zweite Nummer bricht er irgendwann entnervt ab, will lieber was anderes spielen. Schade. Und das von einem, der sich kurz zuvor noch öffentlich zum Affen gemacht hat, um dem zukünftigen Publikum die Erwartungen zu entreißen und sie zugleich zu befeuern. Die zwei Gesichter des Olli Schulz, eines für die digitale und eines für die analoge Welt. Und ja – letzteres ist schöner.

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