Jan Philipp Zymny: Quatschkopf mit Mission

Errare ergo sum: Ich irre, also bin ich. Unter dieser Prämisse könnte das Menschenbild des Jan Philipp Zymny in etwa zusammengefasst werden. Denn sonderlich treffsicher ist der Homo Sapiens im Laufe seiner Entwicklung beim Erkenntnisgewinn nicht gewesen, erst recht nicht logisch oder effizient, sondern vielmehr kompliziert, komplex, zu Übertreibungen und Verallgemeinerungen neigend und mit einem Hang zu verwirrenden Geschichten ausgestattet. Akzeptiert man diese Charakterisierung, ist Jan Philipp Zymny gewissermaßen der Idealmensch. Wer könnte also besser das Wesen seiner Art ergründen als der zweimalige deutsche Poetry-Slam-Meister? In seinem neuen Programm „How to Human“ versucht er, die Eigenheiten dieser seltsamen Wesen zu verstehen, die sich selbst als Herrscher des Planeten sehen und doch letztlich noch nicht einmal die eigene Natur im Griff haben. Stichwort Sex. Und Krieg. Und Sehnsucht nach einer Rückkehr des Domino Days.

Wie üblich agiert Zymny dabei relativ assoziativ. Im Pantheon, das an diesem letzten Tag vor Beginn der Osterferien vor allem bis an den Rand mit Schülern gefüllt ist, breitet er seine mitunter tiefschürfenden und dann wieder ins Absurde abgleitenden Gedankenwelten aus, hinterfragt die Gutherzigkeit von Sankt Martin („Der war einmal nett zu einem Bettler, einmal, und noch heute wird er dafür gefeiert“), Eselsbrücken und Finger-Abzähl-Reime oder die Unbeständigkeit von Wahrnehmung und Bedeutung. Bei letzterem wird er sogar philosophisch, reißt die Macht und die Relevanz von Geschichten an und bleibt doch leider zu sprunghaft, um wirklich etwas Substanzielles über den „pans narrans“ zu vermitteln. Stattdessen versieht er Tierfotos mit Zitaten. Oh, da ändert sich ja auf einmal die Bildaussage. Überraschung. Spannung. Spaß.

Die strukturellen Schwächen im Programm mögen auch damit zusammenhängen, dass Zymny sich erstmals fast vollständig von seiner Vergangenheit als Poetry-Slammer gelöst hat und sich als Stand-Up-Kabarettist versucht. Gewisse Techniken hat er dabei übernommen, etwa seine albernen Miniaturen, die er jetzt eben spielt und nicht mehr bloß verliest. Anderes ist neu, vor allem der freie Vortrag ohne Netz und doppelten Boden. Zugegeben, sonderlich stringent war Zymny noch nie, liebte vielmehr stets die Abschweifung als Stilmittel – doch jetzt purzeln die Argumente und Positionen derart durcheinander, dass eine konzise Botschaft kaum zu erkennen ist. Dabei hat der 26-Jährige eine, mehrere sogar: Frieden zum Beispiel, das wäre eine gute Idee, eine bessere auf jeden Fall als standardisierte Papierformate. Oder differenziertere Betrachtungen statt populistisch verkürzter Demo-Sprechchöre. Und damit hat er ja recht. Nur gehen diese Aussagen gerne in dem Meer an verschwurbelten Formulierungen unter. So bleibt denn letztlich doch wieder nur einer von insgesamt zwei Texten hängen, die Zymny im Laufe des Abends vorliest: Der über seinen Opa, der seine Gartenlaube niederreißt und dabei so aussieht, „als hätte er Rom an einem Tag abgebaut“. Da zeigt sich, dass Zymny ein hervorragender Erzähler ist. Zumindest etwas.

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