„Over the Border“: Party ohne Grenzen

Die Stilfrage stellt man an diesem ganz besonderen Abend in der Harmonie besser nicht. Wozu auch? Eine Antwort entfällt, werden doch Genres und musikalische Grenzen im Rahmen des „Over the Border“-Festivals ohnehin konsequent aufgelöst. Dafür ist es schließlich da. Doch nur wenige Formationen der vergangenen zwei Wochen setzen diesen Ansatz so radikal um wie Rasga Rasga und Sidi Wacho, die am vorletzten Tag des Festivals gemeinsam aufdrehen und den Endenicher Club in ein Tollhaus verwandeln. Ska trifft Gypsy trifft Balkan trifft Latin trifft Pop. Eine Einordnung? Ist unmöglich, das Chaos vielmehr Programm. Doch das macht zumindest großen Spaß. Und trifft beim Publikum mitten ins Schwarze.

Schon Rasga Rasga lassen mit ihrer Gute-Laune-Musik kein Auge trocken und keinen Fuß unbewegt. Das verrückte Multiinstrumentalisten-Sextett, das inzwischen in Köln beheimatet ist, hat schon mehrfach in Bonn und der Region gespielt und sich dabei eine gewisse Fan-Basis erarbeitet, die das Kollektiv von der ersten Sekunde an ausgelassen feiert. Was nicht schwer ist angesichts der wilden Mischung aus so ziemlich allem, was irgendwie nach Sommer klingt. Fette Bläsersätze schieben die Musik ebenso nach vorne wie das druckvolle Schlagzeug von Felix Kuthe und der Bass von Gregor Brändle; dazwischen schieben sich mitunter Geigentöne, dann wieder Akkordeon-Spielereien und immer irgendwelche Gitarren- oder Banjo-Einwürfe. Darüber thront Sängerin Franziska Schuster mit ihrem überaus wandlungsfähigen Gesang: Die charmante Dame kann ebenso gut röhren wie säuseln, kann Chansons trällern und dann wieder auf Spanisch rocken. Klasse.

Sidi Wacho sorgt im Anschluss für nicht weniger Stimmung, auch wenn die französisch-chilenische Band letztlich ganz anders klingt. Entstanden ist das Quintett 2013, als Rapper Saido in Chile auf Juanito Ayala traf, der den aus Kolumbien stammenden Cumbia mit Hip Hop kreuzte. Seitdem machen die beiden gemeinsame Sache. Ein Trompeter, ein Akkordeonist und ein Drummer ergänzen inzwischen das Duo, dazu kommen ein paar Elektronika. Fertig ist eine Mischung, die sich ganz bewusst alle Wege offenhält. Nicht ohne Grund heißt ihr aktuelles Album „Bordeliko“, umgangssprachlich für „Unordnung“. Stringent sind allerdings die Tanzbarkeit – und der sozialkritische Tenor in den Texten von Sidi Wacho. Die versteht man in der Harmonie zwar nur zum Teil, die Beats sorgen aber zumindest dafür, dass auch in der zweiten Konzerthälfte niemand stillsteht. Und das ist doch schon mal viel wert.


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