Prix Pantheon 2019: Im Reich der Doofen und Denker

Der eine rechnete mit Qinoa-Samen ab, der nächste mit dem europäischen Terror, dazu gesellten sich Tinder-Pointen, Stalker-Liebeslieder und ein eher peinlicher Regelsong: Das Finale des Prix Pantheon hat sich in diesem Jahr wieder als überaus bunt und abwechslungsreich erwiesen, als hart umkämpfter und aufmerksam verfolgter Wettbewerb, bei dem eine Fachjury ebenso viel zu sagen hat wie das Publikum. Kurzum ein ideales Sprungbrett für Singer-Songwriter und Poetry-Slammer, Stand-Up-Comedians und Kabarettisten, die so richtig durchstarten wollen. Zum 25. Mal hat das Bonner Pantheon in Zusammenarbeit mit dem WDR den legendären deutschen Satire- und Kleinkunstpreis verliehen, hat junge Talente gefördert und alte geehrt. Und auch wenn das Jubiläum an sich leider nicht in angemessener Art und Weise gefeiert wurde, konnte sich die knapp dreistündige Gala doch sehen lassen, nicht zuletzt dank einiger überzeugender Finalisten – und eines würdigen Ehrenpreisträgers.

Dieser ging an keinen geringeren als Olli Dittrich, den Meister der Verkleidung und kongenialen Parodisten, der mit seinen Kunstfiguren schon seit einem Vierteljahrhundert für Furore sorgt. Regelmäßig ist er für den Adolf-Grimme-Preis nominiert, dreimal hat er ihn bereits gewonnen, ebenso wie zahlreiche andere Auszeichnungen. Und jetzt eben den Prix Pantheon. Damit ist Olli Dittrich offiziell „Reif und bekloppt“. Letzteres sogar schon länger, wie auch Laudator Wigald Boning betonte, der sich nur allzu gern an die gemeinsame Zeit bei RTL Samstag Nacht erinnerte sowie an die Auftritte als „Die Doofen“, unter anderem im Vorprogramm von Slash und Bon Jovi. „Wir waren eben doof, aber wir wussten das wenigstens“, sagte er lachend. Das hat die beiden nicht davon abgehalten, geniale Sketche zu schaffen – oder im Falle von Olli Dittrich Formate wie „Neues vom Spocht“, die dieser bei seiner Dankesrede zur Freude des Publikums noch einmal aufleben ließ. Seinen „Dietsche“ und andere Figuren der jüngeren Zeit blieben dagegen leider außen vor. Das hätte aber auch wahrscheinlich jeden Rahmen gesprengt.

Ohnehin bemühten sich Pantheon und WDR um eine kompakte Veranstaltung. Sondergäste wie Torsten Sträter und Rainald Grebe hatten nur Kurzauftritte, lediglich Dietmar Wischmeyer durfte mit seinem Jahresvor- und Jahresrückblick ein wenig länger verweilen. Umso mehr rückten daher die Darbietungen der Finalisten in den Mittelpunkt, die sich bereits am Tag zuvor aus insgesamt zehn Teilnehmern herauskristallisiert hatten. Christoph Fritz hatte es dabei besonders schwer, musste er doch als Erster in den Wettbewerb treten. Der 24-jährige Österreicher, dessen Erscheinung seinem Alter ziemlich hinterherhinkt, pflegt jenen berühmten schwarzen Humor, den seine Landsleute schon lange für sich gepachtet haben und mit dem zuletzt Lisa Eckhart für Furore gesorgt hat. Doch zumindest bem Prix Pantheon war seine Präsentation nicht ganz rund, war er zu bemüht, zu brav und wahrscheinlich einfach auch zu nervös. Gleiches galt für Lennart Schilgen, der sich allerdings mit seinen nur auf den ersten Blick harmlosen Liedchen deutlich besser schlug. Seine Reinhard-May-Parodie auf „Ich wollte wie Orpheus singen“ war schon ganz nett, doch letztlich dürfte es das anschließende Liebeslied gewesen sein, mit dem er Publikum und Jury von sich einnahm. Herrlich, wie die brave Ballade sich als Offenbarung eines Stalkers entpuppte und inhaltlich immer unheimlicher wurde. Kein Wunder, dass er damit letztlich den Jurypreis gewann.

Diese Hintersinnigkeit ließ Miss Allie vermissen. Die „kleine Singer-Songwriterin mit Herz“ schmachtete stattdessen augenzwinkernd, aber leider ziemlich sinnfrei und klischeebeladen oberkörperfreie Schrebergärtner an und sang über die Menstruationsschmerzen des durch eine Fee zur Hälfte geschlechtsumgewandelten Dieters, was schräger klingt als es letztlich war. Danke, kein Bedarf. Doch auch mehr inhaltliche Tiefe ist nicht automatisch die Lösung. Kabarett benötigt mehr als harten Tobak. Nämlich die richtige Form. Und die ließ Shahak Shapira vermissen: Der in Israel geborene Aktionskünstler, dessen Großvater bei der Geiselnahme während der Olympischen Spiele in München 1972 starb, kommentierte die Angst der Europäer vor dem Terror mit Verweis auf seine Herkunft (was dann doch zu wenig ist), amüsierte sich über die Gasmasken-Lieferung aus Deutschland während des 2. Golfkriegs und schaffte es zwar, dass dem Publikum das Lachen im Halse stecken blieb, verzichtete aber leider auf eine dringend notwendige ironische Brechung. Stattdessen ging der Publikumspreis letztlich an den Niederbayern Martin Frank, der zwar deutlich mehr auf Alltagsklischees zwischen Hipster-Nahrung und Designer-Trends einging, diese aber immerhin intelligent und erfrischend lustig nutzte, um gesellschaftliche Erwartungshaltungen durch den Kakao zu ziehen. Ja, sein Humor war weitaus massentauglicher als der von Shapira. Aber genau das machte es am Ende auch aus.


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