„Over the Border“: Fusion folgt auf Inklusion

Manchmal braucht es einfach einen anderen Blickwinkel, um ein Stück angemessen spielen zu können. Oder besondere Menschen. Am besten beides. Quadro Nuevo haben diese Erfahrung bereits mehr als einmal gemacht, insbesondere bei der Arbeit mit der Fürther Inklusionsband Vollgas, mit der sich auf einmal ein ganz neuer Klangkosmos für das berühmte Weltmusik-Quartett eröffnet. Etwa bei Astor Piazolla. „Wir von Quadro Nuevo haben schon mehrfach versucht, den 'Libertango' richtig hinzubekommen, es aber nie geschafft“, gesteht Saxofonist Mulo Francel bei dem ersten von insgesamt zwei Konzerten, das sein Ensemble und Vollgas im Rahmen von „Over the Border“ in der Harmonie spielen. „Mit den tollen Musikern hier auf der Bühne gelingt uns die Komposition dagegen mühelos.“

Inklusion bedeutet eben immer auch Bereicherung. Und entwickelt sich im besten Fall zu einer Fusion, von der alle Beteiligten profitieren und die weit mehr ist als die Summe der einzelnen Teile. Diesen Ansatz verfolgt Vollgas seit 2009 mit großem Erfolg: Die aus dem Projekt „Berufung Musiker“ der Musikschule Fürth hervorgegangene Band besteht aus Menschen mit Beeinträchtigungen, die gemeinsam Rock, Pop und Jazz auf hohem Niveau spielen und sowohl mit Lebensfreude als auch mit einer erstaunlichen Professionalität auf der Bühne agieren. Das Publikum in der Harmonie ist denn auch sofort elektrisiert und feiert die Formation, die zunächst mit bekannten Titeln wie „Unchain My Heart“ ihrem Namen alle Ehre machen. Später stoßen dann Quadro Nuevo hinzu, die bereits zu Beginn des Abends mit eigenen Stücken begeistert hatten, darunter eine starke Fassung von „Die Gedanken sind frei“ aus dem aktuellen Volkslied-Album sowie einige Kompositionen des „Flying Carpet“-Albums, das Quadro Nuevo vor zwei Jahren gemeinsam mit den Cairo Steps im Telekom Forum vorgestellt hatten.

Der Höhepunkt des Abends ist jedoch die kollektive Zeit auf der Harmonie-Bühne. Einzeln stark, gemeinsam genial: So moderieren Vollgas selbstbewusst die Verschmelzung der beiden Ensembles an. Die einzelnen Mitglieder begegnen sich denn auch auf Augenhöhe, etwa der souveräne Drummer Reimund Gerbl und Quadro-Nuevo-Perkussionist D.D. Lowka, die sich gegenseitig hochschaukeln. Herrlich auch, wie Akkordeonist Tobias Gehring unerwartet aufsteht und mit Mulo Francel in einen musikalischen Dialog tritt, so als hätte er noch nie etwas anderes getan. So entwickelt sich nach und nach ein bemerkenswertes „Over the Border“-Konzert, das dem Gedanken des Festivals eine neue Note verleiht und zum Glück ebenso wie die Wiederholung am Folgetag ausverkauft ist.

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