„Over the Border“: „Wir sind alle Kreolen“

Die Vermischung ist das zentrale Element alles Kreolischen, ein Synonym für jenen Schmelztiegel aus europäischen und indigenen Einflüssen, aus Sprachen, Küchen und Kulturen, der während der portugiesischen Kolonialzeit unter anderem auf den Kapverdischen Inseln und in Guinea-Bissau entstand und die beiden Staaten (ebenso wie einige andere) bis heute prägt. Herkunft spielte und spielt in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle – jeder kann kreolisch werden, wenn er nur offen ist. Kein Wunder also, dass Veranstalter Manuel Banha ausgerechnet einen solchen Abend als Auftakt seines „Over the Border“-Festivals auserkoren hat, mit dem er musikalische Grenzen überwinden und neue Impulse setzen möchte. Eine gute Entscheidung: Schneller hätte man das bunt gemischte Publikum in der Bundeskunsthalle wohl kaum zusammenbringen können. Tanzend und singend genießt es ein Doppelkonzert der besonderen Art, bei dem Einflüsse aus aller Welt sich zu etwas Eigenem verbinden, etwas Zauberhaftem und Schönem, von dem man einfach nicht genug bekommen kann.

Gleich zwei Künstlerinnen machen dieses Erlebnis möglich: Zum einen Karyna Gomes aus Guinea-Bissau, zum anderen die kapverdische Sängerin Lucibela, die bereits im vergangenen Jahr bei einer Hommage an die legendäre Cesária Évora mitwirkte und mitunter gar als Nachfolgerin der Königin des Morna gehandelt wird. Während letztere sich dabei auf die Traditionen ihrer Heimat beruft, reicht erstere weiter, bedient sich nicht nur bei Bossa, Samba und Rumba, sondern auch beim Jazz und erschafft so einen überaus faszinierenden Klangkosmos. Erstaunlicherweise gelingt ihr das sogar ganz ohne ihre eigene Band: Stattdessen spielt sie mit Musikern aus der Region, die zum Teil zu den Local Ambassadors zählen und nach nur zwei Proben mit ihr die Bundeskunsthalle begeistern. Klasse. Doch letztlich ist es Lucibela, die alle in ihren Bann zieht und zu Kreolen ehrenhalber macht. Die charmante Sängerin mit der unglaublich warmen, weichen Stimme schafft es, das Publikum in der Seele zu berühren, verwandelt es mühelos in einen Chor und bringt immer mehr Paare dazu, sich am Rand zum Rhythmus der Coladeira zu wiegen. Am Ende tanzen sogar alle, ausnahmslos. Was für ein Erlebnis. Vor allem dann, wenn man im Herzen kreolisch ist.


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