„Rockstar“: Ketten, Sex und wilde Klänge

Kraftvoll, dynamisch, energiegeladen: So muss Rock ein. Mit Vollgas und Leidenschaft in den Exzess, ohne Abstriche und Kompromisse. Die Artisten der aktuellen Bonner GOP-Show „Rockstar“ haben dieses Prinzip verinnerlicht. Selbst Jerry. Der schmächtige Lakai, der nach Aussage der beiden Moderatoren Stefan Erz und Hans von Chelius alias Akascht eigentlich nur als Roadie eingeteilt ist und zumindest am Anfang auch brav Mikrofonständer und andere Requisiten auf die Bühne trägt, ist in der Tiefe seines Herzens ein echter Rebell. Und ein Frauenheld. Und ein Biker. Und der eigentliche Mittelpunkt eines Varietéprogramms, das zumindest akrobatisch voll durchstartet.

Ohne Jerry (alias Maxime Poulin) würde wirklich etwas fehlen. Nicht nur, dass er im Verlauf der Show über sich hinauswächst und mit seiner schüchternen Freundlichkeit und dem ein oder anderen überragenden Balance-Akt auf seinem Fahrrad sowohl die Herzen des Publikums als auch das der charmanten, permanent schwedisch plappernden Hochseil-Artistin Silea für sich gewinnt, er ist auch der mit Abstand lustigste Charakter. Dabei sollten eigentlich Akascht diese Aufgabe übernehmen. Doch das Comedy-Duo wirkt unnötig bemüht und gekünstelt, nicht nur wegen des enttäuschend vorhersehbaren Halbplaybacks mit Schlagzeug- und Bass-Linien zu den großen Rock-Hits von den Cranberries bis zu AC/DC, sondern vor allem wegen Pointen aus den Untiefen der Kleinkunst. Wer das Applaudieren mit dem Saal übt, ist sich offenbar weder der eigenen Pointen noch der Talente der Akrobaten sicher – wenn sich dies allerdings angesichts einer schlichtweg peinlichen Mexikaner-Nummer auch noch bewahrheitet, ist etwas grundlegend falsch. Schade, zumal Akascht derartige Albernheiten überhaupt nicht nötig hätten. Spielen können sie schließlich, singen erst recht, und mit drei Akkorden kommt man schließlich im Rock sehr weit, wie sie selbst nachdrücklich demonstrieren.

Zum Glück ufert die Moderation nicht aus, sondern lässt den Akrobaten ausreichend Platz. Den haben sich diese auch verdient: Wenn sich Elizabeth Williams an Ketten statt an Seilen in die Lüfte erhebt, sich Pole-Dancerin Anna Weirich sinnlich und mit enormer Körperspannung an der Stange räkelt oder die Australierin „Pippa the Ripper“ ihre Hula-Hoop-Reifen um jedes einzelne Körperteil wirbelt und dabei noch nicht einmal vor ihrer Nase halt macht, ist das schon beeindruckend. Doch das ist erst der Anfang. Jetzt werden die Boxen bis zum Anschlag aufgedreht, die härteren Seiten aufgelegt und so richtig gerockt, musikalisch wie metaphorisch. Maxim Kriger stapelt dünne Bretter und dicke Rohre in wahrhaft schwindelerregende Höhen, stets obenauf balancierend; das Duo Ogor zeigen eine der besten Paar-Akrobatik-Nummern, die bislang im Bonner GOP zu bewundern waren und schaffen fantastische Figuren voller Sinnlichkeit und Kraft; und der phänomenale Diabolo-Jongleur Phil Os erweist sich als Rock-Superstar, der genau jene Präsenz und Energie sein eigen nennt, die dem Duo Akascht fehlen. Er beherrscht die Bühne, ohne viel zu sagen, lässt viel lieber seine Kugelhalbschalen tanzen und fliegen und zeigt eine außergewöhnliche  Darbietung auf Weltklasse-Niveau. Dafür lohnt sich ein Besuch von „Rockstar“ allemal. Und natürlich wegen Jerry.

Termine: „Rockstar“ läuft noch bis zum 28. April im GOP Varieté-Theater Bonn. Vorstellungen finden mittwochs bis sonntags statt; Karten ab 29 Euro zuzüglich möglicher Gebühren erhalten Sie an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

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