Özgür Cebe hat es nicht leicht. Einst Haupt-, später Waldorfschüler, aufgewachsen in Tannenbusch, aber geboren in eine aufgeklärte linksliberale Familie. Von sich selbst sagt er, ein Intellektueller im Körper eines Assis zu sein, den hochtrabenden Faust ebenso zu verkörpern wie den Gangsta-Mephisto. In seinem Programm „Ghettos Faust“, mit dem er jetzt im Haus der Springmaus zu Gast war, versucht der 44-Jährige nun, diese beiden Seelen miteinander in Einklang zu bringen. Was zwar insofern nicht gelingt, als der Prolet kaum zu Wort kommt, dafür aber einen Abend bietet, der geschickt auf der Grenzen zwischen Stand-Up-Comedy und gesellschaftskritischem Kabarett wandert.
Dabei hält sich Cebe nicht lange an den üblichen Klischees auf, abgesehen vielleicht von Äußerlichkeiten und Vorurteilen gegenüber „Orientalen“, die er immer wieder gerne anbringt. Im Grunde geht es ihm aber um Verständnis. „Woran hältst du fest, wenn dir alles fremd ist? Natürlich an deiner eigenen Kultur“, führt er aus. Kein Wunder also, dass sich Parallelgesellschaften entwickelt haben, seit die ersten Gastarbeiter in den 60er Jahren nach Deutschland kamen und zwar ihre Arbeitskraft, nicht aber ihre Lebensweise willkommen geheißen wurde. Kaum waren sie da, wurden sie wieder abgeschoben. Zumindest ins Ghetto. Und ohne Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, ohne Verständnis für deren Sitten und Gebräuche und vor allem ohne Sprachkenntnisse war eine Abkapselung die logische Konsequenz. Und heute? Machen alle das selbe in den sozialen Netzwerken. „Wir leben in Filterblasen, umgeben uns nur mit Gleichdenkenden, und keiner wäscht uns mal den Kopf“, so Cebe. Die Menschen mutieren zu Smartphone-Zombies, die Realität ignorierend und in der digitalen Sphäre isoliert. Kein Wunder also, dass es noch nie so leicht war, an eine flache Erde oder an Reptiloide zu glauben. Oder an die Überlegenheit einzelner Rassen. All dem kann Özgür Cebe nur den Vogel zeigen und mit einigen brillanten Gedichten begegnen. Für mephistophelische Ausflüge ins Gehtto bleibt dabei allerdings keine Zeit. Ein paar eher plumpe Pointen über Rosetten-Apps und Penislängen müssen reichen. Schade um die Balance. So gewinnt letztlich Faust ohne große Gegenwehr. Was ja jetzt auch nicht das Schlechteste ist.
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