Das Vollplaybacktheater: Der Werwolf der Baskervilles

Manchmal reicht ein Ermittler allein nicht aus. Schon gar nicht, wenn der Fall interessant werden soll. Oder schreiend komisch. Selbst Sherlock Holmes ist nicht gefeit vor derartigen Webmustern des Schicksals beziehungsweise des Vollplaybacktheaters (VPT), das seit mehr als 20 Jahren genüsslich allerlei Hörspiele durch den Kakao zieht und sich nun erstmals dem Meisterdetektiv zuwendet. Der stößt bei dem Fall um den ominösen Hund der Baskervilles auf einige unerklärliche Phänomene und bittet einen Experten des Übernatürlichen um Hilfe: Geisterjäger John Sinclair. Gemeinsam rufen sie die Liga der außergewöhnlichen Detektive ins Leben – und sorgen so für allerlei skurrile Szenen, die entweder von selbst zueinander passen oder eben passend gemacht werden. Ein Fest der Persiflage, bei dem niemand verschont wird und die auch in Bonn einmal mehr für Furore sorgt. Zumal alle Figuren letztlich mit ihren eigenen Worten geschlagen werden.

So absonderlich das Konzept auch klingt, so erfolgreich ist es doch: Wie bei einer akustischen Collage werden Monolog- und Dialog-Schnipsel aus verschiedenen Quellen neu zusammengefügt und ergeben so eine mehr oder weniger sinnvolle Handlung. Das Ensemble spielt lippensynchron zu den Original-Tonspuren und kann durch Mimik und Gestik die Aussage entweder verstärken oder aber konterkarieren. Für die aktuelle Produktion des VPT, die jetzt auch im fast komplett ausverkauften Brückenforum Begeisterungsstürme und chronische Lachkrämpfe auslöste, haben die sechs Schauspieler aus Wuppertal dabei nicht nur die Tür ins Holmes-Universum aufgestoßen, sondern im Gegensatz zu vorherigen Stücken auch mehr als einen Original-Handlungsstrang aufgegriffen. Geschickt verknüpft es die Baskerville-Geschichte mit einem Werwolf-Fall Sinclairs, natürlich ohne auf zahlreiche Anspielungen und Cameo-Auftritte aus der gesamten Pop-Kultur zu verzichten. An zusätzlichen Ermittlern herrscht wahrlich kein Mangel: Miss Marple weist Holmes, Sinclair und ihren Gefährten mehr als einmal den Weg, und auch der exzentrische Adrian Monk, Magnum oder auch die Tatort-Ermittler Börne und Thiel wandeln aus irgendwelchen Gründen im Moor. In einer kostümtechnisch brillant gelösten Szene taucht sogar Ober-Transformer Optimus Prime auf. Doch mitunter reicht es auch, wenn sich derartige Pointen im Hintergrund abspielen. Großartig etwa, wenn in einer Hotel-Lobby auf einmal Udo Lindenberg in Richtung Theke wandelt oder wenn an der Bahnstation Paddington ein Bär gleichen Namens auf einer Bank wartet.

Der Erfolg gibt dem VPT Recht. Ihre Trash-Inszenierungen haben längst Kult-Status erreicht, in nahezu jeder Stadt füllen sie große Hallen. Auch das Brückenforum ist fast komplett ausverkauft; in erster Linie sitzen Fans hier, die jeden Running Gag begeistert feiern, egal ob es sich dabei um die seltsame Gangart von John Sinclair handelt („den rechten Fuß vor, das linke Bein nachziehen“) oder um den Oberschlaumeier Justus Jonas von den Drei Fragezeichen, mit dem einst der VPT-Hype begann und der nun Dr. Watson seine Stimme leiht. Dabei bemüht sich das Ensemble, immer wieder neue Akzente zu setzen und nicht jeden Gag auszuwalzen. Stattdessen setzt es vermehrt auf Musik-Einlagen, die wirklich hervorragend ankommen. Mal spielen Holmes und Watson mit Geige und Cello „Smooth Criminal“, dann wieder wehrt sich ein Zimmermädchen gesanglich gegen die Avancen von Hauptkommissar Raynolds. Klasse. Aber das Vollplaybacktheater darf das auch. Egal wie absurd die Idee ist, egal wie groß der Klamauk, alles wird akzeptiert, nicht zuletzt weil das Ensemble es so charmant in Szene setzt. Die Begeisterung im Brückenforum spricht denn auch für sich. Die Liga der außergewöhnlichen Detektive gewinnt. Und das VPT sowieso.

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