Schlachtplatte: Satire aus dem Orbit

Aus dem All betrachtet ist die Welt noch in Ordnung. Unser blauer Planet, wunderschön und friedlich schwebt er inmitten der Leere. Die lokalen und regionalen Dispute und Konflikte sehen alle so klein und unbedeutend aus, so hohl und so banal. Doch der Schein trügt, und irgendjemand muss endlich das große Ganze sehen. Nicht ohne Grund hat sich daher die diesjährige Mannschaft der „Schlachtplatte“ in den Orbit schießen lassen, um ihre Jahresabrechnung zu präsentieren. Die Bühne wird zur Raumstation, die Erde ist weit weg – und dennoch in den Ausführungen von Robert Griess, Axel Pätz, Sebastian Schnoy und Nils Heinrich allgegenwärtig. Denn angesichts von Plastik im Wasser und Hass in den Herzen, angesichts von Populisten und Despoten und Neidern und Mauerbauern müssen die Warnrufe umso lauter und eindringlicher sein. Was zumindest im Pantheon nicht immer, aber doch zum Glück immer wieder gelingt.

Für letzteres ist nicht zuletzt Robert Griess verantwortlich. Der Schlachtplatten-Chef, der das Ensemble seit 2006 jedes Jahr neu zusammenstellt, hat einmal mehr bissige Sketche geschrieben, die mitunter vor Zynismus nur so triefen. Vor allem der Exkurs unter die Leverkusener Brücke, wo ein windiger Investor kleine Wohnparzellen für 990 Euro vermieten will, ist ein ebenso böses wie starkes Stück Gesellschaftskabarett. Die angepriesenen Appartements mit Rheinblick, fließend Wasser direkt vor der Tür und gemeinsamen Kochstellen bieten schließlich genug Komfort für die zahlreichen Obdachlosen – und wer sich die Angebote nicht leisten kann, muss halt woanders hingehen. Flussabwärts am besten. Aus den Augen, aus dem Sinn. Dazwischen geht es um die anderen großen Ereignisse in diesem Land und im Rest der Welt, um Trump und Erdogan und Putin, um Floskel-Bingo in der SPD-Zentrale, um das Brexit-Drama nach Shakespeareschem Vorbild und natürlich um Angela Merkel, die unsterbliche weil alternativlose Kanzlerin.

Allerdings kann sich Griess bei dem politischen Personal nur schwer zusammenreißen. Immer wieder wird er vor allen in seinen Soli persönlich, verlacht Markus Söder, Jens Spahn, Horst Seehofer und all die anderen, die christliche Werte propagieren aber nicht anwenden, attackiert sie in ihrer Person und erst danach in ihrem Tun. Andererseits bleibt er zumindest bei der Sache, statt sich in das übliche Eltern- und Kind-Kabarett zu flüchten oder mit Plattitüden um sich zu werfen. Wenn etwa Sebastian Schnoy den IS-Terroristen eine Umschulung zum Paketboten empfiehlt oder der Versklavung durch WhatsApp gelassen entgegensieht, ist das leider nur bedingt unterhaltsam. Zu schwach die Form, zu mau die Pointen. Da kann Nils Heinrich schon eher überzeugen, auch wenn der sich – typisch Berliner Kabarettist – natürlich zunächst einmal der Mittelschicht auf dem Spielplatz annimmt, den Hipstern mit den Tatoos, den Piercings, den Fleischtunneln und den Einpflanzungen unter der Epidermis. All das beschreibt Heinrich mit einem derart wachen und zugleich sprachgewandten Stil, dass es durchaus Spaß macht, ihm zuzuhören. Und Pätz, der vierte im Bunde? Erweist sich als kongenialer Musikkabarettist, der sich Familienthemen ebenso zu widmen weiß wie globalen Problemen. Ob er nun in Anlehnung an die Couplets der 20er Jahre das Chaos seiner Teenager-Tochter besingt oder in einem Wohlfühl-Schlager von der Müll-Insel aus Isopropylen mit ihren Tetrapak-Wäldern und den weißen Plastikstränden träumt, stets trifft er den richtigen Ton. Sehr schön. So lässt man sich eine Schlachtplatte schmecken. Selbst wenn sie aus dem All kommt.

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