Culture Club: Ein Paradiesvogel entdeckt den Soul

Zumindest aus der Ferne hat sich Boy George nicht verändert. Flamboyantes Kostüm, schillerndes Make-Up und natürlich ein Hut haben den androgynen Sänger von Culture Club schon in den 80er Jahren zu einem Paradiesvogel gemacht und zu einer Ikone der Schwulenszene. Beides ist er bis heute geblieben. Nun hat er seine Band wieder um sich versammelt, um der vergangenen Zeiten zu gedenken und sie neu aufleben zu lassen. Erstmals seit 20 Jahren haben Culture Club eine neue CD aufgenommen, und erstmals seit ihrer Wiedervereinigung sind sie gemeinsam mit ihrem Frontmann auch wieder in Deutschland auf Tour. In Köln, neben Berlin der einzige Halt der Band, zelebrieren Boy George und Culture Club die New-Wave-Ära und zeigen zugleich aus der Distanz (Fotografen sind bei diesem Konzert nicht zugelassen), dass sie in den vergangenen Dekaden durchaus gereift sind. Und den Soul für sich entdeckt haben.

Gerade dieser neue Ansatz ist es denn auch, der dem Konzert im Palladium eine gewisse Frische verleiht. „Runaway Train“, das Culture Club immerhin mit Gladys Knight aufgenommen haben (für Boy George eine große Ehre, auch wenn das Kölner Publikum das angesichts fehlender Reaktionen offenbar nicht so ganz nachvollziehen kann) erweist sich als schöne Pop-Soul-Nummer, ebenso wie „Different Man“, zumindest nachdem die 80er-Jahre-Sounds ein wenig zurückgeschraubt werden und Backgroundsängerin Mary Pearce den Soul vollends aus ihrer Kehle entlassen kann. Beide Stücke stammen vom aktuellen Album „Life“, das allerdings an diesem Abend nur bedingt überzeugen kann: Titel wie „What Does Sorry Mean“ oder auch das schnulzige „Let Somebody Love You“ wirken dann doch sehr seicht, mehr nach Plastik-Pop denn Herz-Soul. Das spürt man auch bei der Performance, die gerade an diesen Stellen lethargisch wirkt, auch wenn Boy George sich wirklich bemüht, das Publikum anzufeuern und zum Brennen zu bringen.

An manchen Stellen gelingt es dann aber doch, den alten Geist des Culture Clubs zu erwecken. Beim fetzigen „Miss Me Blind“ etwa, bei dem sich das Publikum auch wieder „young and vibrant“ zeigen konnte, wie Boy George zuvor sagte. Bei „Church of the Poison Mind“, das kurzerhand mit dem Wham-Hit „I'm Your Man“ verknüpft wurde. Beim stampfenden „War Song“ und beim eindringlichen „Victims“, letzteres nur mit dezenter Piano-Begleitung. Und natürlich beim zunächst entschleunigten und erst später in gewohnte Reggae-Grooves wechselnden „Sou You Really Want To Hurt Me“, mit dem die Karriere des Clubs einst begann. Boy Georges Gesang trifft ins Schwarze, ist weitaus dunkler geworden und reifer, dadurch aber auch interessanter, zumindest wenn die Band die Songs entsprechend koloriert und nicht zu sehr in alten Mustern verharrt. Schließlich hat die Zeit ihre Spuren auf Seele und Stimmbändern des 57-Jährigen hinterlassen – dem sollten Culture Club denn auch Rechnung tragen. Schade, dass dies nur zum Teil umgesetzt wird, schön aber, dass es doch ab und an passiert. Und ganz kann und will schließlich keiner die Vergangenheit abstreifen. Nicht umsonst jubelt das Publikum ganz am Schluss am lautesten, als Culture Club ihren Mega-Hit „Karma Chameleon“ anstimmen. Und der Paradiesvogel von einst noch einmal mit seinen Flügeln schlägt.

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