Guildo Horn: Nassgeschwitzter Cherubim

Alle Jahre wieder kommt der Guildo Horn. Ende November, wenn die Nächte länger werden und der Duft von Bratäpfeln und Glühwein in der Luft liegt, zelebriert der Meister der Glückseligkeit in Bonn die nahende Adventszeit mit einem seiner ganz besonderen Weihnachtskonzerte in der Harmonie. So auch an diesem Samstag. Dicht an dicht drängeln sich die Jünger des Horns, um ausgelassen zu feiern und altbekannte Rock- und Schlager-Hymnen mit neuen Texten in rot-grünem Gewand zu schmücken. Das Konzept ist längst Kult, und auch diesmal schmettern wieder hunderte Kehlen „Mein Freund der Tannenbaum“ und „Es weihnachtet sehr“ zu Abba- und YMCA-Melodien. Auch „Live And Let Die“, „In The Ghetto“ und „Radar Love“ werden derart verändert, bekommen lyrischen Lametta und mutieren zu liebevoll-augenzwinkernden Parodien, die Horn und seine Orthopädischen Strümpfe genüsslich für das Publikum auspacken. Klingt schräg. Ist es auch. Aber auch schön.

Allerdings ist Sankt Guildo diesmal weitaus weniger redselig als sonst. Stattdessen folgt ein Lied aufs nächste, ein gigantisches Advents-Medley mit fetzigen Grooves und scheinbar ohne Ende. Irgendwo zwischen dem „Disco Inferno“ und „Heidi“ entledigt sich der Schlagerpapst dann gar seines Hemds und steht mit nacktem, schweißnassen Oberkörper auf der Bühne, während die aufgeschnallten Engelsflügel ihn beschirmen, ein Anblick, der die Menge endgültig zum Toben bringt. Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt die Band einen Gang zurückschalten muss und in ein Akustik-Set wechselt, bei dem unter anderem der Ballade vom Dicken Dieter eine neue Strophe hinzugefügt und dem kleinen Esel gedacht wird. Dagegen fällt die Moritat vom Schneehasen ein bisschen ab, ist zu sehr auf Konsum geeicht und zu wenig auf den Winterzauber, der in den besten Momenten durch Guildo Horns Adern und durch seine Kehle fließt.

Am Ende wird dann aber doch wieder die Partystimmung befeuert. Guildo Horn findet die zweite Luft, gibt noch einmal alles, und seine Fans machen nur zu gerne mit, werden ihm zuliebe sogar zu Tannenbäumen und wiegen sich mit die Spitze formenden Armen im Takt wie eine Ent-Horde. Ein verrücktes Bild, aber irgendwie passt es an diesem Abend, der so leicht lächerlich sein könnte und doch auf eine so verdrehte Weise weihnachtlich ist, dass man gerne zu diesen Konzerten kommt. Wer Guildo Horn übrigens in diesem Jahr in der Harmonie verpasst hat, hat am 6. Dezember im Pantheon noch einmal die Gelegenheit, sich von ihm in schlagereske Feststimmung versetzen zu lassen.

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