Max Uthoff: Die Weisheit der Hunde

Für Katzen und Hunde muss der Westen das Paradies sein. Sagt zumindest Max Uthoff und hat wahrscheinlich – wie so oft – Recht damit. Überall Futter, abgepackt in Dosen und bis zum Rand gefüllt mit den klassischen Beutetieren des Stubentigers und Wolfs-Erben von heute, also mit Rind, Kalb, Pferd. Delikate Köstlichkeiten, für die die menschliche Dienerschaft ohne mit der Wimper zu zucken Beträge ausgibt, die anderenorts ein kleines Vermögen wären.

Insofern wundert es Uthoff in seinem neuen Programm „Moskauer Hunde“ nicht, dass es alle ins gelobte Land zieht: Die Zwölfjährigen, die auf der Mülldeponie Agbogbloshie in Ghana inmitten des Schrotts aus ganz Europa leben und zwischen den giftigen Dämpfen Kleinstteile bergen; die 14-Jährigen in Kambodscha, die im eiskalten Wasser Krabben fangen müssen; oder die jungen Kongolesen, die entweder von deutschen Waffen getötet werden oder in den Coltan-Minen schuften müssen, damit die Reichen das neueste iPhone in die Finger kriegen. Was für ein Ungleichgewicht in dieser Welt. Eines, das der Chef der „Anstalt“ vehement anprangert – und das Gelächter des Publikums mehr als einmal schon in den Kehlen abwürgt.

 

Es sind die großen Probleme, mit denen sich Uthoff beschäftigt, die globalen Missstände in einer zunehmend zersplitternden Welt. Die deutschen Polit-Debatten lässt er dagegen bewusst außen vor, zumindest nach einer kurzen einleitenden Abrechnung, in der er betont, dass er sich eben nicht mit Seehofers Ideen-Tourette auseinanderzusetzen gedenke oder mit den Grünen, die inzwischen selbst im Kohlenkeller Schatten werfen. Nein, mit diesem Elend will sich der 51-Jährige nicht beschäftigen. Zum einen zahlt das Publikum dafür noch nicht einmal ansatzweise genug, und zum anderen sind das ohnehin nur Symptome eines aus den Fugen geratenen Systems, in dem der Volkswille nur noch ein Vorwand ist. Wenn überhaupt. Immerhin spricht sich eine Mehrheit der Deutschen für weniger Waffenexporte aus oder auch für einen Ausstieg aus der Braunkohle, und dennoch verschifft die Bundesregierung Rüstungsgüter für unzählige Milliarden in die ganze Welt und schleift Demonstranten aus Baumhäusern im Hambacher Forst.

Antworten kann das Publikum dabei nicht erwarten. Uthoff hat selber keine, so sehr er sich auch wünscht, dass es anders wäre. Was er aber bieten kann, sind satirische Kommentare und messerscharfe Analysen, erstere in der Regel ebenso bissig wie amüsant, letztere ernüchternd und bedrückend. Ja, manchmal sind seine Breitseiten ein wenig zu ungenau und überschreiten die Grenze zur Polemik, ebenso wie seine kleinen Intermezzi, in denen Uthoff Kritik an sich selbst und an seinen Aussagen vorwegnimmt oder absurde Miniaturen spielt, die das Programm nicht wirklich weiterbringen. Andererseits gehören seine brillante Rhetorik und seine Detailversessenheit in den ernsthafteren Passagen mit zum Besten, was derzeit auf deutschsprachigen Kleinkunstbühnen zu erleben ist. Sein Lamento für die darbende Solidarität, seine Verknüpfungen zur von ihm ohnehin kritisch betrachteten digitalen Sphäre und sein Verständnis für das wachsende Suchtverhalten (ob es nun um Drogen geht oder um die Smartphone-Nutzung), um der sozialen Vereinsamung etwas entgegenzusetzen, sind Kabarett in Reinform. So also tickt der Mensch. Dabei könnte er auch anders. Er könnte neue Rudel bilden, so wie die Moskauer Hunde. Die aber haben den Menschen eines voraus: Sie wedeln nicht länger mit dem Schwanz, wenn jemand sie tritt. Eine Lektion, die es sich zu lernen lohnt.

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