„Moments of Being“: Wahrnehmung als Experiment

Erkenntnis wird aus der Wahrnehmung geboren, aus dem Hören, dem Sehen, dem Fühlen, kurzum aus der Summe aller Sinneseindrücke, gefiltert durch analytische Denkprozesse. Soweit die Theorie, die Regisseurin Silvana Mammone und Ausstatterin Barbara Lenartz mit ihrer theatralen Rauminstallation „Moments of Being“ einem eingehenden Test unterziehen. Im Rahmen des Festivals west-off, bei dem das Theater im Ballsaal, die Studiobühne Köln und das FFT Düsseldorf seit Jahren kooperieren, hat das als „kaleidoskop“ firmierende Duo mit zwei Schauspielern und einem Musiker das Publikum zum Erfahren eingeladen, lockt es in ein Labyrinth aus Möglichkeiten und Impulsen, die man aufnehmen oder auch ablehnen kann. Jeder im Raum gewinnt so eine eigene Vorstellung von dem, was an diesem Abend ausgesagt werden soll, hat eigene Wahrnehmungen – und somit eine individuelle Erfahrung, die durchaus seinen Reiz hat.

Schon im Foyer beginnt das Konzept der Installation, stellt zentrale Fragen und zwingt das Publikum zugleich zu einer Entscheidung. „Wie sollte man ein Buch lesen“, wird gefragt, und während eine Schauspielerin einen deutschen Text auf die Glasfront des Theaters im Ballsaal schreibt, murmelt eine englische Stimme etwas anderes. Welche Worte soll man rezipieren, was bekommt man mit, was nimmt man wahr? Genau damit spielen Mammone und Lenartz permanent, während sie im Spannungsfeld zwischen Virginia Woolf und Ludwig Wittgenstein ihren eigenen Raum aufspannen. Mal experimentieren sie mit Spiegeln, dann wieder mit Kaleidoskopen, immer aber mit Licht. „Wie klingt Licht“ lautet denn auch eine der Fragen, die man einem Kontrabassisten stellen kann, der in einer Ecke des Raumes steht und die Antworten musikalisch umsetzt. Eingefordert wird den Besuchern dabei nichts. Sie sind vielmehr dazu eingeladen, sich auf den durch Leinwände abgetrennten Raum einzulassen und ihn zu erkunden. Ein Overhead-Projektor mit farbigen Folien harrt williger Akteure, eine Leseecke steht bereit, ein paar Pflanzen, ein paar Gläser, die man zum Singen bringen kann. Die beiden Schauspieler fordern nichts, sind nur präsent, geben mal Impulse oder lesen ein paar Passagen, drängen sich aber nicht auf. So müssen die Besucher selbst einen Sinn suchen. Was denn auch nach einer gewissen Zeit geschieht. Wer sich auf die Angebote einlässt und ihre Möglichkeiten auslotet, taucht ein in eine Form von Kunst, die ständig im Fluss ist, nicht definitiv ist, nicht festgeschrieben – und vielleicht gerade dadurch eine Art der Erkenntnis gewährt, die einem kein Lehrer und kein Autor jemals wird beibringen können.

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