Karnevalisten haben es in Zeiten wie diesen schwer. Wie will man denn lustig sein, wenn überall auf der Welt Spaßbremsen und Vollidioten an der Macht sind, die zu allem Überfluss auch noch die ganzen Stimmungslieder zweckentfremden? Nichts kann man mehr singen: „Wir kommen alle in den Himmel“ ist zur Hymne der Selbstmordattentäter verkommen, „Es ist noch Suppe da“ ist untragbar angesichts des Hungers in der Welt, und selbst das beliebte Hände-Lied der Kolibris, das auf keiner närrischen Feier fehlen darf, führt unweigerlich zu einem Bild, das an eine Massenhinrichtung erinnert. Kein Wunder also, dass Freddys Coverband desillusioniert ist. Nichts können sie mehr spielen, beklagen sie – und können doch froh sein, dass sie nur augenzwinkernde Fiktion sind, erschaffen vom Ensemble von Stunk Unplugged, das sich keinesfalls die gute Laune rauben lässt. Im Pantheon zeigen die Kölner nun, was in ihnen steckt, während sie einen Querschnitt durch ihre Programme der vergangenen Jahre präsentieren. Was mitunter überaus satirisch ist. Und dann wieder seltsam leer.
„Stimmung bleibt“ lautet der Titel der aktuellen Tour, mit dem zwölf Mitglieder der Kölner Stunksitzung derzeit durch die Republik ziehen. Ein schöner Wunsch. Doch dafür muss erst einmal Stimmung
geschaffen werden, und auch wenn die einzelnen Nummern zu den Höhepunkten der letzten Stunksitzungen gezählt werden, wirken sie doch mitunter etwas zäh. Vor allem aber mangelt es immer wieder an
einer klaren Botschaft. Ja, es ist amüsant, wenn sich die Lehrer an der Rainer-Pause-Gesamtschule auf die Religionsfreiheit berufen, mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wedeln und dann
in Vollverschleierung oder im Adamskostüm, als Pastafari oder radikaler Karnevalist über die Bühne springen – aber worauf will das Ensemble eigentlich hinaus? Soll das jetzt eine Kritik sein?
Wenn ja, woran? An besagter Religionsfreiheit etwa? Das wäre ein gefährliches Pflaster. Als ähnlich unbefriedigend erweist sich eine Nummer zum Ausrüstungsdebakel in der Bundeswehr, bei der nicht
wirklich klar ist, die von Militärs wahrscheinlich ebenso bejubelt werden dürfte wie von Friedensaktivisten, da jede Fraktion sich die Aussage nach eigenem Gutdünken zurecht legen könnte.
Demgegenüber stehen einige Nummern, die das Ensemble herrlich auf den Punkt spielt, etwa die Auslassungen eines rheinischen Karnevalisten über die ordnungsliebenden Schwaben, die mit ihren
Tugenden so gar nicht nach Köln passen. „Jeder Jeck ist anders, aber doch nicht anders als wie wir“, sagt er und lässt dabei die gesamte Flüchtlingsdebatte mitschwingen. Klasse. Und auch die
lebensechte Version des Hänneschen Theaters mit Trump, Putin und Erdogan ist zumindest technisch gesehen hervorragend umgesetzt, auch wenn die Pointen natürlich der Vorlage entsprechend eher
plump sind. Außer Frage steht dabei, dass Stunk Unplugged sich durchaus politisch positionieren will, was nicht zuletzt durch die Ausführungen von Sitzungspräsidentin Biggi Wanninger deutlich
wird. Dass dabei allerdings nicht alles zusammenpasst, Moderationen mitunter ins Leere laufen (warum wird über den Literaturnobelpreis von Bob Dylan gesprochen, nur um dann bei einem Song von den
Proclaimers zu landen?) und Schlusspointen schwächer sind als erwartet, schaden diesem Konzept allerdings immer wieder. Das Publikum ist dennoch begeistert, nicht zuletzt wegen der musikalischen
Einlagen der Combo um Josef Piek und Christoph Stupp. Da funktionieren die Stimmungslieder eben immer noch. Und alles andere ist schließlich egal.
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